AKB 2015 A 2.2.1.5
Leitsatz
1. Im Falle eines versicherten Glasbruchs kommt es nicht darauf an, dass der VN das Schadenereignis zeitlich und örtlich und der Ursache nach näher eingrenzen kann.
2. Voraussetzung eines Glasbruchs ist nicht, dass die Scheibe zerbrochen ist. (Leitsätze der Schriftleitung)
LG Saarbrücken, Urt. v. 10.2.2023 – 13 S 109/22
1 Sachverhalt
Der Kl. nimmt die beklagte Versicherungsgesellschaft auf Erstattung von Reparaturkosten für eine beschädigte Windschutzscheibe an seinem Fahrzeug in Höhe von zuletzt 925,71 EUR nebst Zinsen aus einem zwischen ihnen bestehenden Kaskoversicherungsverhältnis in Anspruch zugrunde liegen. Er meint, Angaben darüber, wo und wann der Schaden entstanden sei, bedürfte es bei Steinschlagschäden an der Windschutzscheibe nicht. Die Bekl. ist dem entgegengetreten und trägt vor, der Kl. habe den Versicherungsfall schon nicht ordnungsgemäß gemeldet, er habe zumindest Schadensdatum, -örtlichkeit und -ursache benennen müssen, um Versicherungsschutz zu erhalten. Überdies handele es sich bei dem Schaden um nicht versicherte Kratzer und Abplatzungen, nicht dagegen um einen versicherten Bruchschaden. Schließlich seien auch die geltend gemachten Recyclingkosten nicht erstattungsfähig.
2 Aus den Gründen:
Die Bekl. ist zum Ausgleich der geltend gemachten Kosten verpflichtet.
1. Aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Teilkasko-Versicherungsvertrag ergibt sich, dass u.a. Bruchschäden an der Verglasung versichert sind (A.2.2.1.5 AKB 2015).
2. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts scheitert das Klagebegehren nicht daran, dass der Kl. einen Glasbruchschaden i.S.d. Nr. A.2.2.1.5 nicht hinreichend schlüssig vorgetragen hat. Insbesondere kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Kl. das Schadensereignis nicht näher zeitlich eingrenzen konnte.
Da es nach allgemeiner Meinung auf die Ursache für den Glasbruch nicht ankommt (vgl. etwa Koch in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2018, A.2 Kaskoversicherung Rn 250; Klimke in Prölls/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, A.2.2.2 AKB Rn 77, jew. m.w.N.), genügt zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Nachweis eines Glasbruchschadens, der sich im Allgemeinen anhand des Schadensbildes unproblematisch führen lässt (…).
Soweit das Erstgericht meint, mit Blick auf die Abgrenzung von vorhandenen, nicht versicherten Altschäden an der Windschutzscheibe, sei eine zeitliche Bestimmung des Schadenseintritts notwendig, wird damit nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich gerade Glasbruchschäden an der Windschutzscheibe, die sich aus einem Steinschlag ergeben, häufig erst mit einiger zeitlicher Verzögerung zeigen, etwa in Form von Rissen infolge von Spannungen. Schon deshalb würde es die Anforderungen an einen Erstattungsanspruch überspannen, wenn der VN zwar nicht die Ursache des Risses, aber dessen Eintritt genau zeitlich einordnen müsste, wenn zugleich feststeht, dass der Schaden – wie hier – erst zeitnah zur Schadensmeldung bemerkt worden ist.
3. Auch der Einwand der Bekl., es habe sich nicht um einen Glasbruch i.S.d. AKB 2015 gehandelt, hat sich nach der Beweisaufnahme nicht als durchgreifend herausgestellt.
a) Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Glasschaden ist ein Bruch an der Verglasung des Fahrzeuges. Was unter einem "Bruch" der Verglasung zu verstehen ist, bestimmt sich entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen danach, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN den Begriff bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (…).
b) Ausgehend vom Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa einer Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist (BGH r+s 2017, 252 Rn 13 m.w.N.), kann der durchschnittliche VN dem Begriff "Bruch" entnehmen, dass die Scheibe nicht notwendigerweise zerbrochen sein muss, da nach allgemeinem Sprachgebrauch auch bereits Einschnitte, Risse oder Sprünge in Scheiben z.B. durch Steinschlag unter den Begriff des Glasbruches fallen. Dagegen fallen bloße Kratzer und Trübungen auf der Oberfläche des Glases nicht unter A.2.2.1.5 S. 1 AKB 2015 (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.2.2020 – 11 U 103/19 juris …). Folglich scheiden bloß oberflächliche Beschädigungen an den Fahrzeugscheiben aus, jedenfalls wenn sie ersichtlich keine Auswirkung auf die Verkehrssicherheit haben und ein Austausch der Scheibe in erster Linie aus kosmetischen Gründen erfolgen würde.
c) Im Streitfall liegen die Dinge dagegen anders. Wie die Vernehmung des Zeugen … und die anschließende Begutachtung durch den Sachverständigen … ergeben hat, war die streitgegenständliche Windschutzscheibe du...