VVG § 125 § 128; ARB 2019 § 3a Abs. 2 S. 1, S. 2, Abs. 4 S. 1, S. 2
Leitsatz
1. Zur Wirksamkeit von Bestimmungen in Rechtsschutzversicherungsbedingungen über das Schiedsgutachterverfahren nach einer Ablehnung des Rechtsschutzes durch den VR wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen (hier: § 3a Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 ARB 2019).
2. Die von § 3a Abs. 2 S. 1 ARB vorgesehene Ausschlussfrist für die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens ist rechtlich zulässig.
3. Die Ausschlussfrist beginnt mit dem Zugang des Hinweisschreibens des VR.
4. Die Versäumung der Ausschlussfrist lässt den Anspruch auf Erhebung einer Deckungsklage unberührt.
5. Dem VN bleibt eine Vorlage von Mitteilungen und Unterlagen an den Schiedsgutachter auch nach Fristablauf möglich.
6. Weder die Regelung der Auswahl des Schiedsgutachters noch das Fehlen einer Regelung über Ablehnungsmöglichkeiten begegnen Wirksamkeitsbedenken. (Leitsätze 2-6 der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 12.6.2024 – IV ZR 341/22
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Klauseln, die der Bekl. in § 3a der ARB 2019 des beklagten VR verwendet.
Sie lauten auszugsweise:
“§ 3a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit – Schiedsgutachterverfahren
(2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der VN darauf hinzuweisen, dass er, soweit er der Auffassung des VR nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom VR verlangen kann. Mit diesem Hinweis ist der VN aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem VR zuzusenden. …
(3) Verlangt der VN die Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens, hat der VR dieses Verfahren innerhalb eines Monates einzuleiten und den VN hierüber zu unterrichten. Sind zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des VN Fristen zu wahren und entstehen hierdurch Kosten, ist der VR verpflichtet, diese Kosten in dem zur Fristwahrung notwendigen Umfang bis zum Abschluss des Schiedsgutachterverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu tragen. …
(4) Schiedsgutachter ist ein seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Rechtsanwalt, der von dem Präsidenten der für den Wohnsitz des VN zuständigen Rechtsanwaltskammer benannt wird. Dem Schiedsgutachter sind vom VR alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen, die für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlich sind, zur Verfügung zu stellen. Er entscheidet im schriftlichen Verfahren; seine Entscheidung ist für den VR bindend.„
Der Kl. hält Teile der zitierten Klauseln infolge einer Abweichung von der Regelung in § 128 Satz 1 VVG gemäß § 129 VVG und wegen Verstoßes gegen § 307 BGB für unwirksam.
2 Aus den Gründen:
[7] I. Das BG, dessen Entscheidung unter anderem in r+s 2022, 678 veröffentlicht ist, hat die Klausel in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB als intransparent und mithin nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam erachtet. (wird ausgeführt)
[9] Die übrigen vom Kl. angegriffenen Klauseln hat das BG demgegenüber als wirksam angesehen …
[13] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit zum Nachteil des Bekl. entschieden worden ist. Im Übrigen ist die Entscheidung rechtsfehlerfrei.
[14] 1. Die Revision des Bekl. ist begründet.
[Wirksamkeit von § 3a Abs. 2 S. 1 ARB]
[15] a) Die Klausel in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB ist – entgegen der Auffassung des BG – wirksam. Sie hält einer Inhaltskontrolle – auch am Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – stand und weicht nicht im Sinne des § 129 VVG von § 128 Satz 1 VVG ab.
[16] aa) Das BG nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass die Regelung in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB, wonach der VR den VN mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung darauf hinzuweisen hat, dass er, soweit er der Auffassung des VR nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monats vom VR die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens verlangen kann, eine Ausschlussfrist bestimmt.
[17] (1) (a) Allerdings wird die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus einer Versäumung der Monatsfrist ergeben, auf die sich die Hinweispflicht des VR bezieht, zu inhaltsgleichen Klauseln im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Während ein Teil der Literatur die Auffassung vertritt, dass die Versäumung der Frist – unabhängig von einem Verschulden des VN – nicht zu einem Verlust des Rechts auf Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens führt, weil die ARB für die Überschreitung der Frist keine Sanktion vorsähen (…), nimmt die Gegenauffassung an, dass es sich bei der Monatsfrist um eine Ausschlussfrist handele, die bei ihrer Versäumung zu einem Verlust der Möglichkeit führe, die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens zu verlangen (…).
[18] (b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Das ergibt die Auslegung der Klausel.
[19] (aa) AVB ...