StPO § 318; StVG § 21
Leitsatz
Bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis muss das tatrichterliche Urteil – soweit möglich – Feststellungen zu den Gegebenheiten der Fahrt enthalten (Anlass und Dauer der Fahrt, Handeln aus einem Antrieb etc.). Fehlen diese Feststellungen, ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch in der Regel unwirksam.
(Leitsätze des Einsenders)
OLG München, Beschl. v. 3.7.2008 – 5St RR 119/08
Sachverhalt
Das AG hat den Angeklagten wegen Betrugs in acht tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Diebstahl, Urkundenfälschung, Missbrauch von Titeln und in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Das AG hat zu den Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis folgende Feststellungen getroffen:
"Am 5.10.2005 versprach der Angeklagte dem Geschädigten Dr. F, die Darlehensraten für den Kauf eines Fahrzeuges zu begleichen, wenn er dieses nutzen dürfe. Er sicherte dem Geschädigten zu, sämtliche anfallenden Kosten zu übernehmen. Im Vertrauen darauf, dass der Angeklagte tatsächlich willens und in der Lage wäre, seiner Zusage nachzukommen, erwarb der Geschädigte den Pkw ( … ) für den Preis von 18.970 EUR, welchen er durch ein aufgenommenes Darlehen finanzierte, und übergab den Pkw an den Angeklagten. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht bezahlte der Angeklagte an den Geschädigten lediglich eine der monatlichen Raten in Höhe von 443,31 EUR und nutzte das Fahrzeug in der Zeit zwischen 7.10.2005 bis zu seiner Festnahme am 3.4.2006. Insbesondere fuhr der Angeklagte mit dem Pkw am 7.10.2005 im Münchner Stadtgebiet, obwohl er, wie er wusste, nicht über die hierzu erforderliche Fahrerlaubnis verfügte. Die Darlehensgeberin nahm den Geschädigten Dr. F auf Zahlung der monatlichen Raten in Anspruch."
Der Geschädigte Dr. F zahlte die monatlichen Raten bis zur Veräußerung des Kfz im April 2006 weiter. Der Pkw wurde mit Verlusten zum Preis von ca. 13.000 EUR wieder veräußert.
Zu einem weiteren, nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende Oktober 2005 erklärte der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten Dr. F, dass er 3.200 EUR benötige, sonst müsse er in Haft gehen, da er eine Frist versäumt habe. Er versprach dem Geschädigten, das Darlehen zurück zu zahlen. In Wirklichkeit hatte der Angeklagte vor, den erbetenen Betrag endgültig für sich zu behalten. Im Vertrauen auf die Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit des Angeklagten händigte der Geschädigte in dem von dem Angeklagten gelenkten Pkw auf der Fahrstrecke zwischen Au bei Bad Aibling und München den Betrag aus. Auch zu diesem Zeitpunkt verfügte der Angeklagte nicht über die hierzu erforderliche Fahrerlaubnis.
Am 8.1.2006 gegen 09.20 Uhr betankte der Angeklagte den Pkw ( … ) mit 35,87 Liter Super-Benzin im Wert von 45,88 EUR bei der Esso-Tankstelle in xxx. Dabei hatte er von Anbeginn an vor, die Bezahlung des betankten Kraftstoffes schuldig zu bleiben. Entsprechend vorgefasster Absicht verließ er die Tankstelle, ohne den Kraftstoff bezahlt zu haben. Das Kraftfahrzeug hatte er auf öffentlichen Straßen zu dieser Tankstelle gefahren, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein, was er wusste.“
Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft – jeweils auf das Strafmaß beschränkt – Berufung eingelegt. Das LG hat diese Beschränkung als wirksam angesehen und den vom AG festgestellten Sachverhalt dem Rechtsfolgenausspruch zugrunde gelegt.
Das LG hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG das amtsgerichtliche Urteil im Strafausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren sechs Monaten verurteilt wurde.
Die vom Angeklagten eingelegte Revision hat teilweise Erfolg.
Aus den Gründen
“ … Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge hin ( … ) vorläufigen Teilerfolg, weil die Berufung nur z.T. wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war. ( … )
1. Die Revision ist teilweise begründet, weil das AG Art und Umfang der Schuld des Angeklagten, soweit es diesen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen hat, nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße festgestellt hat, so dass insoweit die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam war (vgl. BayObLGSt 1999, 105; OLG München Beschl. v. 20.6.2007 – 4St RR 103/07 – und v. 8.10.2007 – 4St RR 178/07 sowie Urt. v. 18.2.2008 – 4St RR 202/07; Meyer-Goßner StPO, 51. Aufl., § 318 Rn 16 m.w.N.).
a) Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge und unabhängig von einer sachlichen Beschwer des Angeklagten ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob ein mit der Revision angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorangegangenen amtsgerichtlichen Urteils entschieden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, falls das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung...