Einführung
Gem. § 832 Abs. 1 S. 1 BGB haften Eltern für Schäden, die ihr Kind, das wegen seiner Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, Dritten widerrechtlich zufügt. § 832 Abs. 1 BGB statuiert damit eine Beweislastumkehr zu Lasten der Eltern, da ihre Aufsichtspflichtverletzung widerlegbar vermutet wird. Sie können sich jedoch gem. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten, indem sie nachweisen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben (F 1) oder dass der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre (F 2). Für Eltern – aber auch Geschädigte und Rechtsanwender – besteht dabei eine weitgehende Unsicherheit, weil § 832 BGB die haftungsrechtlichen Folgen einer Aufsichtspflichtverletzung normiert, Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht aber nicht umschreibt. Das bleibt der Rechtsprechung überlassen. Der Aufsatz will deshalb einen Überblick über die Anforderungen verschaffen, welche die Gerichte an aufmerksame und besonnene Eltern bei der Beaufsichtigung ihres Kindes im Hinblick auf den Umgang mit Zündmitteln stellen.
Erst ab Ende der sechziger Jahre wurden Entscheidungen zur Haftung für Brandschäden im Rahmen des § 832 BGB veröffentlicht. Die Veröffentlichungsdichte nahm in den achtziger Jahren stark zu und bildet seit den neunziger Jahren einen Schwerpunkt der veröffentlichten Urteile. Dabei lässt sich die Rechtsprechung nach der Persönlichkeit des minderjährigen Brandverursachers wie folgt katalogisieren: Die Brände werden von normal entwickelten (II.) sowie bereits mehrfach in dieser Hinsicht auffällig gewordenen oder retardierten Kindern (III.) verursacht. Hinsichtlich des Alters ist bei normal entwickelten Kindern mit dem Ende des Grundschulalters (II. 3., 4.) eine Trennlinie zwischen den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zu ziehen.
I. Der Haftungsmaßstab – Sonderfall Regressnahme bei Mietwohnungsbrand
Im Normalfall genügt für die Haftung der Eltern ihre – vermutete und von ihnen nicht widerlegte – (leicht) fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung. Eine Ausnahme von diesem Haftungsmaßstab besteht jedoch bei Brandschäden in Mietwohnungen, um eine Belastung des auf längere Zeit angelegten Mietvertragsverhältnisses zu vermeiden. In diesen Fällen ist die Haftung der Eltern gegenüber dem Hauseigentümer bzw. dem für den Schaden eingetretenen Gebäudeversicherer (§ 67 Abs. 1 VVG) auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Aufsichtspflichtverletzungen beschränkt, so dass die Gerichte eine Grenzlinie zur einfachen Fahrlässigkeit ziehen müssen. Für eine solche vorsätzliche oder grob fahrlässige (zum Brand führende) Aufsichtspflichtverletzung der Eltern ist der Eigentümer bzw. Versicherer darlegungs- und beweispflichtig. Denn die – weiterhin geltende – Vermutung in § 832 Abs. 1 S. 1 BGB erstreckt sich nur auf eine einfach fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung der Eltern. Die zu diesen Regressfällen veröffentlichten Urteile hatten allesamt in der Fallgruppe "normal entwickelte Kinder" als haftungsbegründende Aufsichtspflichtverletzung die ungenügende Verwahrung von Zündmitteln im Haushalt zum Gegenstand.