Ungeklärt ist bislang die Frage, ob die von der Versicherungswirtschaft nach den BGH-Urteilen vom 09.05.2001 geänderten Bedingungen, die gegenüber den vorherigen Bedingungen transparente, aber inhaltsgleiche Regelungen zur Berechnung des Rückkaufswerts und der beitragsfreien Versicherungssumme beinhalten, wirksam sind.
Während sich die Versicherungswirtschaft auf den Standpunkt stellt, dass auf der Grundlage der neuen Bedingungen die Abschlusskosten nach wie vor im Wege der Zillmerung verrechnet werden können, sehen Verbraucherschützer dies naturgemäß anders. Daher hat die Verbraucherzentrale Hamburg im Herbst 2007 vier große Versicherungsunternehmen abgemahnt und aufgefordert, wesentliche Teile der seit dem Herbst 2001 in ihren Lebens- und Rentenversicherungsverträgen verwendeten Klauseln zur Kündigung und Beitragsfreistellung nicht mehr zu verwenden bzw. sich darauf zu berufen. Da keines der vier abgemahnten Unternehmen die geforderte Unterlassungserklärung abgab, hat die Verbraucherzentrale Hamburg zum Jahreswechsel 2007/2008 Klage beim Landgericht Hamburg eingereicht. Im Zuge eines ersten Verhandlungstermins am 03.04.2009 soll das LG Hamburg zu erkennen gegeben haben, dass es nach der bisherigen Beratung der Auffassung zuneige, auch die im Zeitraum 2001 – 2007 verwendeten Klausen zum Rückkaufwert und zur Beitragsfreistellung für intransparent zu erachten. Ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 17. Juli 2009 anberaumt.
Auf Grund der Brisanz dieser Rechtsfragen wird das Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum BGH getragen; auf dessen Urteil wird man gespannt sein dürfen. Dabei werden folgende Überlegungen im Mittelpunkt stehen:
Im Ausgangspunkt stehen die Entscheidungen vom 9. Mai 2001, mit welchen der BGH das Zillmer-Verfahren als zulässig erachtete und ausdrücklich einen Verstoß gegen § 9 AGBG (heute § 307 BGB) verneinte. Zur Begründung hatte sich der BGH auf die Vorschrift des § 65 VAG bezogen, welche das Zillmern als grundsätzlich zulässig voraussetzt. Diese Argumentation erscheint indes keineswegs zwingend, da § 65 VAG sich im Kern mit versicherungsmathematischen Fragestellungen befasst, nicht aber mit den versicherungsvertraglichen Auswirkungen der Zillmerung auf Verträge, die im frühen Vertragsstadium gekündigt bzw. beitragsfrei gestellt werden. Zudem eröffnet § 65 VAG nur eine Handlungsoption in Bezug auf die Verwendung des Zillmer-Verfahrens, ohne dieses zwingend vorzuschreiben. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Zillmerung aber in der Praxis angewandt wird, liegt allein in der Entscheidung des jeweiligen Versicherers, der dies entsprechend in seinen AVB regelt, und unterliegt insoweit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass der damals an der Urteilsfindung beteiligte Richter und spätere Ombudsmann Prof. Römer in einem im Jahr 2000 gehaltenen Vortrag die Folgen der Zillmerung bei einer Kündigung innerhalb der ersten Jahre als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 9 AGBG bewertet hatte, sich mit dieser Meinung allerdings im Senat wohl nicht hatte durchsetzen können.
In seinen Entscheidungen vom 12. Oktober 2005. hatte der BGH die vorbenannten Entscheidungen aus dem Jahr 2001 zwar nicht ausdrücklich korrigiert, wohl aber betont, dass dem Versicherungsnehmer bei frühzeitiger Kündigung und Beitragsfreistellung durch die Zillmerung ein wirtschaftlicher Nachteil von erheblichem Gewicht entsteht. Diese Überlegung wird sicherlich mit einen Ausschlag dafür gegeben haben, dass der BGH die in der Zwischenzeit seitens der Versicherungswirtschaft erfolgte Klauselersetzung nach § 172 VVG a.F. durch transparente, aber inhaltsgleiche Klauseln für unwirksam erachtete und auf diesem Wege zu einer ergänzenden Vertragsauslegung gelangte, was auf den Punkt gebracht nichts anderes bedeutet, als dass der BGH seine Auffassung von einem gerechten Interessenausgleich an die Stelle der vertraglichen Regelungen setzte und den Mindestrückkaufswert – insoweit dem damaligen Vorschlag der VVG-Kommission folgend – mit der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals bezifferte.
Vor diesem Hintergrund ist durchaus eine Tendenz zu erkennen, die Folgen der Zillmerung bei Beitragsfreistellung bzw. Kündigung in den ersten Vertragsjahren generell als nicht interessengerecht anzusehen. Daher erscheint es keineswegs fern liegend, dass der BGH in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung eine "reine" Zillmerung ohne Korrektiv für Fälle frühzeitiger Beitragsfreistellung bzw. Kündigung unter dem Blickwinkel des § 307 BGB für unwirksam erachten wird.
Zu diesem Schritt könnte sich der BGH auch durch den Beschluss des BVerfG vom 15.02.2006. veranlasst sehen. In diesem hatte das BVerfG betont, dass unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Vereinbarung gezillmerter Prämien nur dann dem Gebot eines gerechten Interessenausgleichs aller Betroffenen entspricht, wenn gesichert ist, dass die dem Versicherungsnehmer angelasteten Abschlusskosten im Verh...