MB/KT 94 § 1 (3)
Leitsatz
In der Krankentagegeldversicherung ist Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit der bisher ausgeübte Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung. Daher kann der Versicherer den Versicherten nicht darauf verweisen, unter Kapitaleinsatz eine Weiterführung seiner bisherigen Tätigkeit unter geänderten Bedingungen zu ermöglichen.
BGH, Urt. v. 20.5.2009 – IV ZR 274/06
Sachverhalt
Die Klägerin, die als selbständige Werbekauffrau seit 1999 einen Beschaffungsservice für Werbemittel betreibt, hielt bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung nach den MB/KT 94. Sie verlangt von der Beklagten für die Zeit vom 2.12.2002 bis einschließlich 30.11.2004 Krankentagegeld.
Seit einem Treppensturz am 2.2.2002 leidet die Klägerin an Schmerzen im Bereich der rechten Schulter, vor allem beim Anheben und Tragen von schwereren Lasten; ärztlich diagnostiziert wurde ein Impingementsyndrom. Die Beklagte stellte ab 2.12.2002 ihre Leistungen ein. Im Juli 2003 beauftragte sie ein Detektivunternehmen mit der Überprüfung, ob die Klägerin trotz der ihr attestierten Arbeitsunfähigkeit einer beruflichen Tätigkeit nachgehe. Zwei Mitarbeiter dieses Unternehmens nahmen Kontakt zu der Klägerin auf und gaben unter falschem Namen vor, als Kunden bzw. für Kunden Interesse an den von ihr angebotenen Werbemitteln zu haben. Die Klägerin präsentierte den Detektiven bei drei verabredeten Treffen im August und September 2003 ihre Werbemittel. Daraufhin erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung der Krankentagegeldversicherung.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [10]„ … 1. Das BG hat der Klägerin einen Anspruch auf Krankentagegeld zu Unrecht mit der Begründung versagt, sie hätte die Trage- und Hebelast durch Umgestaltung ihrer Musterkoffer verringern und das Anheben von Lasten in der Armvorhaltebewegung durch Anschaffung eines anderen Fahrzeugs ohne Ladekante vermeiden können. Damit hat das BG von der Klägerin eine dem Wesen der Krankentagegeldversicherung fremde Umorganisation der Arbeitsabläufe verlangt.
[11] a) In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt eines Versicherungsfalles neben der medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus (§ 1 (2) S. 1 MB/KT 94). Arbeitsunfähigkeit liegt gem. § 1 (3) MB/KT 94 vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Definition der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an. Dementsprechend bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 MB/KT 94 Rn 6 m.w.N.). Daher ist der Versicherer nicht berechtigt, den Versicherungsnehmer auf sog. Vergleichsberufe oder gar sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten zu verweisen (Senat VersR 1997, 1133 unter II 2b; VersR 1993, 297 unter II 1). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte mindestens 50 % der von seinem Berufsbild allgemein umfassten Tätigkeiten noch ausüben kann; sofern ihm die bisherige Berufsausübung völlig unmöglich geworden ist, muss er sich nicht darauf verweisen lassen, eine seinen verbliebenen beruflichen Fähigkeiten entsprechende andere Arbeit aufzunehmen … Hingegen ist der Versicherte nicht arbeitsunfähig, wenn er gesundheitlich zu einer – wenn auch nur eingeschränkten – Tätigkeit in seinem bisherigen Beruf im Stande geblieben ist (Senat VersR 1993, 297). Ob der Versicherte seinem Beruf nicht mehr in der bisherigen Ausgestaltung nachgehen kann, ist durch einen Vergleich der Leistungsfähigkeit, die für die bis zur Erkrankung konkret ausgeübte Tätigkeit erforderlich ist, mit der noch verbliebenen Leistungsfähigkeit festzustellen (Prölss, a.a.O., Rn 7 m.w.N.).
[12] b) Das BG hat bei seiner Vergleichsbetrachtung zwar berücksichtigt, wie die Außendiensttätigkeit der Klägerin vor ihrem Unfall tatsächlich gestaltet war, ihr aber eine andere Arbeitsorganisation abverlangt. Damit hat es außer Acht gelassen, dass Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung ist. Mit Blick darauf kann der Versicherer den Versicherten nicht darauf verweisen, durch Umorganisation seiner Arbeitsabläufe, notfalls mit dem dazu erforderlichen Kapitaleinsatz, die Voraussetzungen für die Wiederausübung seines Berufs zu schaffen. Ob und inwieweit der Versicherte nach Treu und Glauben gehalten ist, über die medizinische Behandlung hinaus an der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit aktiv mitzuwirken, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist er nicht gezwungen, seine berufliche Tätigkeit durch Austausch oder Veränderung der bislang eingesetzten Arbeitsmittel neu zu organisieren. Für die Berufsunfähigkeitsversicherung hat der Senat bereits entschieden, dass sic...