StVO §§ 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a, 39 Abs. 2; HambSOG § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Leitsatz
1. Der Sichtbarkeitsgrundsatz für das Aufstellen von Verkehrszeichen ist jedenfalls gewahrt, wenn der Verkehrsteilnehmer die für den ruhenden Verkehr getroffene Regelung (hier: Bestehen von Bedarfshaltverbotszonen) nach dem Aussteigen durch Betrachten der im leicht einsehbaren Nahbereich aufgestellten Verkehrszeichen erfassen kann.
2. Bei der Einrichtung mehrerer räumlich überlappender Haltverbotszonen mit unterschiedlichen Geltungszeiten müssen nicht sämtliche Haltverbotszeichen jeweils mit Zusatzschildern versehen sein, die die unterschiedlichen Verbotszeiträume und -modalitäten in ihrer Gesamtheit verlautbaren.
3. Die Kosten der Sicherstellung und Verwahrung fallen grundsätzlich dem polizeirechtlich Verantwortlichen zur Last (§§ 14 Abs. 3 Satz 3, 8 und 9 HmbSOG). Allerdings kann im Einzelfall der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dieser Regel entgegenstehen. Eine solche Anwendungskorrektur ist dann angezeigt, wenn sich die angeordnete Rechtsfolge der Kostentragung wegen besonderer Umstände als unangemessen erweist. So ist in der Rspr. anerkannt (vgl. BVerwG zfs 1996, 196, 197 f.), dass ein Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug ordnungsgemäß geparkt und eine nachträglich eingerichtete Haltverbotszone weder gekannt hatte noch mit ihr hatte rechnen müssen, zwar – auf der Primärebene des polizeilichen Handelns – die Vollstreckung des nachträglich wirksam gewordenen Wegfahrgebots zu dulden hat, zu seinen Gunsten aber – auf der Sekundärebene der Kostentragung – zu berücksichtigen ist, dass sein Vertrauen auf den Fortbestand der Situation des erlaubten Parkens in gewissem Umfang Schutz verdient (im Fall hier abgelehnt).
(Leits. 1 u. 2 sind amtliche Leitsätze; Leits. 3 ist Leits. der Schriftleitung)
Hamburgisches OVG, Urt. v. 30.6.2009 – 3 Bf 408/08
Sachverhalt
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr die Kosten für das Abschleppen ihres Kraftfahrzeugs auferlegt worden sind.
Die Klägerin ist Halterin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HH … . Am Morgen des 14.6.2007 stellte sie ihr Fahrzeug gegen 9.00 Uhr in der …- Straße in Höhe des Hauses mit der Nr. 14 ab, um sich in ihre zukünftigen Kanzleiräume in der … -Straße Nr. 30 zu begeben. Ca. zwei Meter links von dem Abstellort befand sich ein mobiles Haltverbotsschild (Zeichen 283) mit Pfeilen in beide Richtungen und den Zusatzschildern "Auch auf dem Gehweg" und "Ab 16.06.07 von 03.00 h". Dieses Haltverbotsschild kennzeichnete eine für den 16.6.2007 – wegen der bevorstehenden "Altonale" – eingerichtete und durch weitere Haltverbotszeichen mit Zusatzzeichen für den 16.6.2007 ausgewiesene Haltverbotszone.
Im Bereich der … -Straße bestand zu diesem Zeitpunkt eine weitere – 15 Meter breite – Haltverbotszone für den 14.6.2007, welche auf Anordnung der Beklagten für Filmaufnahmen eingerichtet worden und durch zwei – am 8.6.2007 aufgestellte – mobile Haltverbotsschilder am Anfang und am Ende der Verbotsstrecke gekennzeichnet war. Das eine dieser Schilder – mit dem nach rechts gerichteten Pfeil – befand sich von der Straße aus gesehen etwa vier bis fünf Meter links von dem Haltverbotsschild mit dem Zusatzschild betreffend den 16.6.2007, neben dem die Klägerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte, und war mit dem Zusatzschild "Do. 14.06.07 11:00–15:00 auch auf dem Gehweg" versehen. Das zweite für den 14.7.2007 geltende Haltverbotsschild – mit einem Pfeil nach links – befand sich etwa neun bis zehn Meter rechts von dem Haltverbotszeichen mit dem Zusatzschild für den 16.6.2007.
Gegen 11.30 Uhr ließ die Beklagte das Fahrzeug der Klägerin abschleppen und auf den Verwahrplatz A-Allee bringen. Dort löste es die Klägerin abends gegen Zahlung von 240,20 EUR aus.
Mit Gebührenbescheid vom 14.6.2007 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin die ihr durch das Abschleppen des Fahrzeugs entstandenen Gebühren und Auslagen in dieser Höhe fest.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 26.6.2007 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007 zurück. Mit ihrer am 16.10.2007 erhobenen Klage vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen.
Das VG Hamburg hat mit Urt. v. 7.8.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die mit der für den 14.6.2007 geltenden Beschilderung erlassenen Verwaltungsakte seien wirksam gewesen. Nach der Rspr. des BVerwG entfalteten Verkehrsschilder ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer ungeachtet der tatsächlichen Wahrnehmung, sofern sie hinreichend deutlich erkennbar seien. Dabei sei in der Rspr. anerkannt, dass an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr beträfen, niedrigere Anforderungen zu stellen seien als an solche für den fließenden Verkehr. Einen Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug abstelle, träfen dementsprechend auch andere – weitergehende – Sorgfalts- und Informationspflichten hinsichtlich der Beschilderung als einen Teilnehmer am fließenden Verkehr. Er se...