VVG §§ 23, 24, 26 (= VVG §§ 27, 28, 29 a.F.); AVB ambitio Gastronomie B II. 1.1. § 1 Nr. 2
Bei Versicherung des Einbruchdiebstahls- und/oder Vandalismusrisikos kann der zum Zwecke einer Schutzgelderpressung gefasste und dem Versicherungsnehmer in Nötigungsabsicht mitgeteilte Entschluss eines unbekannten Täters, die versicherte Sache – unter Umständen auch mehrfach – zu beschädigen, eine anzeigepflichtige objektive Gefahrerhöhung darstellen.
BGH, Urt. v. 16.6.2010 – IV ZR 229/09
Der Kläger, früherer Inhaber einer Gaststätte, fordert Versicherungsleistungen aus der seit September 2005 bei der Beklagten gehaltenen Firmenversicherung, welcher die Allgemeinen Versicherungsbedingungen "ambitio Gastronomie" der Beklagten zugrunde liegen. Nach deren Teil B II. 1.1 § 1 Nr. 2 i.V.m. der Versicherungspolice erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Sachen, die durch Einbruchdiebstahl, Vandalismus und Beraubung zerstört oder beschädigt werden.
Beginnend im Spätsommer und zunächst fortlaufend bis Ende Oktober 2006 erhielt der Kläger im Büro seiner Gaststätte mehrere anonyme Anrufe, in welchen eine männliche Stimme sinngemäß "Schutz und Versicherung" anbot, weil immer etwas passieren könne. Nachdem der Kläger darauf nicht eingegangen war, wurde der Anrufer ab Januar 2007 konkreter und forderte nunmehr für den angebotenen "Schutz" monatliche Zahlungen von 750 EUR. Zur Bekräftigung seiner Forderung gab er an, man wisse, dass der Kläger mehrere Lokale habe, er solle sich weder an die Polizei noch sonstige andere Personen wenden. Der Kläger unterrichtete danach lediglich seine Ehefrau von den Anrufen, unternahm ansonsten aber nichts. In den nachfolgenden Wochen erschienen vier männliche Gäste im Lokal und äußerten mehrfach den Wunsch, den "Chef" – gemeint war offensichtlich der Kläger – zu sprechen. Zu einem solchen Gespräch kam es jedoch nicht.
Am 9.3.2007 brachen Unbekannte in das Lokal ein und entwendeten Bargeld und technische Geräte. Zum überwiegenden Teil wurde dieser Schaden von der Beklagten reguliert. Auch bei der Schadenregulierung verschwieg der Kläger die vorangegangenen Erpressungsversuche.
Beginnend zwei Tage nach dem Einbruch und unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Tat wiederholte der unbekannte Anrufer mehrfach seine Zahlungsaufforderung unter Hinweis darauf, dass man wisse, wo der Kläger wohne und dass er Familie habe. Am 21.4.2007 wurde am Auto des Klägers die Heckscheibe eingeschlagen und der Lack zerkratzt. In der darauf folgenden Woche äußerte der unbekannte Anrufer, der Kläger habe nun sehen können, was alles passiere.
In der Nacht vom 3. auf den 4.6.2007 wurde die Gaststätte erneut von Einbrechern heimgesucht. Sie verwüsteten – vermutlich mit einer Axt – große Teile der Inneneinrichtung und versprühten eine große Menge schwarzer Lackfarbe. Entwendet wurden nach der Behauptung des Klägers ungefähr 2.700 EUR Bargeld und eine Musikanlage.
Nachdem der Kläger in seiner Schadenmeldung der Beklagten erstmals auch die Entwicklung der vorangegangenen Erpressungsversuche geschildert hatte, kündigte diese den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 29.6.2007 fristlos und lehnte Versicherungsleistungen ab.
Aus den Gründen:
[15] “… 1. Zutreffend hat das BG angenommen, hier sei unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eine (sog. objektive) Gefahrerhöhung für die versicherte Gaststätte i.S.v. § 27 Abs. 1 VVG a.F. eingetreten.
[16] a) Durch die Bestimmungen der §§ 23 ff. VVG a.F. soll das bei Abschluss des Versicherungsvertrages zugrunde gelegte Gleichgewicht zwischen Prämienaufkommen und Versicherungsleistung erhalten bleiben. Der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl sich die Risikolage so geändert hat, dass das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei Abschluss des Versicherungsvertrages voraussetzen durfte. Von einer Gefahrerhöhung kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, bei der der Versicherer den in Rede stehenden Versicherungsvertrag nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Folgerichtig kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf einzelne Gefahrumstände an; stattdessen ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage insgesamt entwickelt hat. Dabei sind alle ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen (BGHZ 79, 156, 158; Senat VersR 2004, 895 unter II 2a aa). Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt weiter voraus, dass der neue Zustand erhöhter Gefahr mindestens von einer solchen Dauer sein muss, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und so den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist (Senat VersR 1999, 484 unter 2a m.w.N. … ).
[17] b) Legt man diese Maßstäbe zu Grunde, so hat hier der erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages mittels anonymer Anrufe kundgegebene, ü...