ZPO § 531 § 780 Abs. 1
Zur Aufnahme des erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung.
BGH, Urt. v. 2.2.2010 – VI ZR 82/09
Der Kläger, der am 16.3.2003 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde, nimmt die Beklagten als Erben ihres am 25.3.2004 verstorbenen Sohnes M. auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Erstmals im Berufungsrechtszug haben die Beklagten die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben und beantragt, ihnen gem. § 780 ZPO die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass ihres Sohnes vorzubehalten. Das OLG hat durch Grund- und Teilurteil den auf Ersatz immateriellen Schadens gerichteten Klageantrag dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt und den Beklagten insoweit vorbehalten, ihre gesamtschuldnerische Haftung auf den Nachlass ihres verstorbenen Sohnes zu beschränken. Dem Feststellungsbegehren hat das OLG unter Berücksichtigung eines Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteils des Klägers von 1/3 stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung.
Aus den Gründen:
[2] I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten seien mit dem von ihnen erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Antrag, ihnen die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass ihres Sohnes vorzubehalten, nicht gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zwar handele es sich insoweit um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne dieser Vorschrift, doch habe das Berufungsgericht unstreitiges Vorbringen gem. § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne Weiteres zugrunde zu legen. Für unstreitige Einreden gelte nichts anderes. So sei eine erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede nach der Rspr. des BGH unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig seien (BGHZ [GZ] 177, 212). Dasselbe müsse auch für den im Wege der Einrede geltend zu machenden Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gelten. Hinsichtlich der Aufnahme dieses Vorbehalts hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
[3] II. Die Revision hat keinen Erfolg.
[4] 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revision mangels Beschwer des Klägers unzulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226, 1230). Denn die Zulässigkeit eines Rechtsmittels kann offen bleiben, wenn zwischen seiner Verwerfung als unzulässig und seiner Zurückweisung als unbegründet weder hinsichtlich der Rechtskraftwirkung noch hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Rechtsmittelentscheidung Unterschiede bestehen (Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., Vor § 511 Rn 12; zur sofortigen Beschwerde vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – IX ZB 171/04 – NJW-RR 2006, 1346, 1347 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.
[5] 2. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung ist zulässig. Nach st. Rspr. des BGH kann die Revisionszulassung auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Eine Beschränkung der Zulassung auf einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist möglich, soweit es sich um rechtlich oder tatsächlich selbständige und abtrennbare Teile eines Gesamtstreitstoffs handelt (BGHZ 101, 276, 278 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Bei dem Antrag, die Beschränkung der Erbenhaftung im Urteil vorzubehalten, handelt es sich um eine nach § 780 ZPO vorgesehene Erklärung, die die Geltendmachung einer materiell-rechtlichen Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren ermöglichen soll (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.1983 – IVa ZR 211/81 – NJW 1983, 2378, 2379). Die Aufnahme dieses Vorbehalts kann das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein (OLG Celle, OLG-Report 1995, 204; MüKo-ZPO/Karsten Schmidt, 3. Aufl., § 780 Rn 19; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 780 Rn 10).
[6] 3. Das Berufungsgericht hat die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen und gemeint, eine Entscheidung des Revisionsgerichts sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. erforderlich, weil nach Auffassung anderer OLG der erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nur unter den – im Streitfall nicht gegebenen – Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 1222; OLG Hamm MDR 2006, 695).
[7] a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung sei unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Voraussetzungen für seine Aufnahme unstreitig gegeben seien, ist mit Blick auf die Erwägungen des BGH zur Zulässigkeit der erstmals i...