BGB § 249
Leitsatz
Es besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine markengebundene Fachwerkstatt generell über ein höheres "Know-how" insb. bei der Reparatur von reinen Blechschäden verfügt als eine freie Fachwerkstatt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2011 – 1 U 109/10
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall rechnete der Kl. fiktiv auf der Grundlage der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt seinen ersatzfähigen Schaden ab. Der Pkw war zu dem Zeitpunkt des Unfalls fünf Jahre alt, nicht scheckheftgepflegt und wies zwei Vorschäden, von denen einer unrepariert war, auf. Die Haftpflichtversicherung des allein haftenden Schädigers verwies den klagenden Geschädigten auf die gegenüber dem Ansatz der markengebundenen Werkstatt niedrigeren Stundensätze einer freien Werkstatt, die die im Rahmen von Karosseriearbeiten erforderlichen Lackierarbeiten an einen Subunternehmer vergibt. Nach Vernehmung des Inhabers der freien Werkstatt, auf deren günstigere Preisstruktur verwiesen wurde, bejahte das BG die Reduktion des zu ersetzenden Schadensersatzanspruchs des Kl. auf der Grundlage der niedrigeren Stundenverrechnungssätze der freien Werkstatt.
2 Aus den Gründen:
„Nach der nunmehr gefestigten Rspr., des BGH, der der Senat folgt, kann der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen “freien Fachwerkstatt’ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (vgl. BGH NZV 2010, 553, 554 ff.; NJW 2010, 2118; 606, 607 f.). Dies ist vom Tatrichter nach § 287 ZPO zu beurteilen.
II. Danach hat die Bekl. die Kl. im Streitfall zu Recht auf niedrigere Stundenverrechnungssätze verwiesen.
1. Das Autohaus T bot für die Kl. eine ohne Weiteres und mühelos erreichbare alternative Reparaturmöglichkeit. Die Werkstatt ist gut 7 km vom Wohnsitz der Kl. entfernt und bietet unstreitig einen kostenlosen Hol- und Bringservice. Der Zeuge bietet der bekl. Versicherung ausweislich seiner glaubhaften Aussage keine Sonderkonditionen und hat mit jener keine vertragliche Vereinbarung etwa zur Abrechnung von Unfallreparaturen getroffen; es war und ist im Gegenteil unstreitig, dass die von dem Zeugen bzw. seinem Unternehmen liquidierten Stundensätze jedermann zugänglich sind.
2. Besondere Umstände, die eine Reparatur des streitgegenständlichen Blechschadens in der Werkstatt des Zeugen T als unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Fahrzeug der Kl. war zum Zeitpunkt des Unfalls knapp 5 Jahre alt, knapp 78.000 km gelaufen und nicht “scheckheftgepflegt’; vielmehr wies es zwei Vorschäden auf, von denen einer unrepariert bestand, der andere nicht in einer BMW-Vertragswerkstatt repariert worden war.
3. Die Reparaturmöglichkeit bei dem Zeugen ist als gleichwertig anzusehen. Die Bekl. haben hierzu ausreichend vorgetragen. Der Kl. ist indessen einzuräumen, dass sich das LG mit ihren die Gleichwertigkeit betreffenden Rügen nicht auseinander gesetzt hat. Der Senat holt dies auf der Grundlage der Vernehmung des Zeugen T nach:
a) Es besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine markengebundene Fachwerkstatt generell über ein überlegenes Know-how verfügt, insb. nicht, soweit es – wie hier – um die Reparatur reiner Blechschäden geht.
b) Bei dem Autohaus T handelt es sich nicht um eine Vertrauenswerkstatt der bekl. Versicherung, die dieser Sonderkonditionen gewährt.
c) Die Reparatur des streitgegenständlichen Blechschadens konnte nicht nur durch einen aktuell für das zu reparierende Fahrzeug geschulten Meister sachgerecht erfolgen.
d) Der Zeuge T hat glaubhaft bekundet, dass sein Unternehmen für die Reparatur von Blechschäden Original-Ersatzteile verwendet, weil diese nach seiner Erfahrung besser passen.
e) Die Gewährleistung des Autohauses T für seine Arbeiten ist gesetzlich geschuldet. Dass die Herstellergarantie für Ersatzteile vom einbauenden Unternehmen abhängt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
f) Eine Einschränkung von Garantien im Übrigen oder eine Erhöhung des merkantilen Minderwerts ist im Streitfall nicht ernsthaft zu besorgen. Der Wagen der Kl. war schon älter und doppelt vorbeschädigt, ohne dass die Kl. dies zum Anlass genommen hätte, eine BMW-Niederlassung mit der Reparatur zu beauftragen.
g) Der Umstand, dass das Autohaus T Lackierarbeiten an einen Subunternehmer vergibt, begründet für sich genommen keine Zweifel an der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit. Insoweit war. in der Berufungsverhandlung unstreitig, dass keineswegs jeder BMW-Vertragshändler über eine eigene Lackiererei verfügt, in der umfänglichere Arbeiten der streitgegenständlichen Art ausgeführt werden können. Der Zeu...