AVB Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten § 4 Nr. 5 S. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Leitsatz
1. Für die Anwendung der sog. Sozienklausel genügt eine Kooperation (hier: zwischen Steuerberatern) nicht.
2. Die Grundsätze der Repräsentantenhaftung gelten im Rahmen einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht.
BGH, Urt. v. 18.5.2011 – IV ZR 168/09
Sachverhalt
Der Kl., ein selbständiger Steuerberater, verlangt von der Bekl. im Wesentlichen Freistellung von Schadensersatzansprüchen aufgrund einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Der Bruder des Kl., der ebenfalls als selbständiger Steuerberater tätig ist, beantragte unter dem 25.3.2001 mit einem Antragsformular der Bekl. für den Kl. in dessen Namen und Auftrag den Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Dabei gab er an, dass er seinen Beruf nach außen gemeinschaftlich mit dem Kl. ausübe. Diesen Antrag nahm die Bekl. an.
Dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die AVB-S zu Grunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 4 Ausschlüsse"
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche
5. wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Der VN behält, wenn dieser Ausschlussgrund nicht in seiner Person und auch nicht in der Person eines Sozius vorliegt … den Anspruch auf Versicherungsschutz;
§ 12 Sozien
I. 1. Als Sozien gelten Berufsangehörige, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen anderen Vertrag verbunden sind.
II. Der Versicherungsfall auch nur eines Sozius gilt als Versicherungsfall aller Sozien. Der VR tritt für diese zusammen mit einer einheitlichen Durchschnittsleistung ein. …
III. Ein Ausschlussgrund nach § 4, der in der Person eines Sozius vorliegt, geht zu Lasten aller Sozien. …“
Der Steuerberater D. beauftragte mit Schreiben v. 14.8.2001 den Kl. und seinen Bruder mit der treuhänderischen Verwaltung eines Betrages bis zu einer Größenordnung i.H.v. 1,25 Mio. EUR. Der Bruder des Kl. hatte bereits mit Telefax v. 13.8.2001 Herrn D aufgefordert, den Gegenwert von 600.000 US-$ in EUR auf "das Ihnen bereits bekannte Unterkonto" zu überweisen. Herr D überwies einen Betrag von 670.000 EUR auf ein Konto bei der F in B. Kontoinhaber war entgegen den Angaben des Bruders des Kl. nicht er, sondern die Firma G. Am 11.9.2001 wurde das Konto von den b. Behörden beschlagnahmt. Im Haftpflichtprozess wurden der Kl. und sein Bruder als Gesamtschuldner verurteilt, an Herrn D 670.000 EUR zu zahlen.
2 Aus den Gründen:
„… Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurt. und zur Zurückverweisung der Sache an das BG.
[10] I. Nach dessen Auffassung hat der Kl. keinen Freistellungsanspruch gegen die Bekl., weil der Ausschlusstatbestand gem. § 4 Nr. 5 S. 1 AVB-S wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Bruders des Kl. erfüllt und diesem über die Sozienklausel des § 12 Abs. 3 AVB-S zuzurechnen sei. Eine wissentliche Pflichtverletzung, über die im Haftpflichturteil nicht zu entscheiden gewesen sei, liege jedenfalls darin, dass der Bruder des Kl. nicht Inhaber des Kontos gewesen sei, das er in der Zahlungsanweisung gegenüber Herrn D angegeben habe …
[13] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[14] 1. Das BG hat den Kl. und seinen Bruder mit nicht tragfähiger Begründung als Sozien i.S.d. § 12 I 1 AVB-S behandelt. Es hat entgegen dem Gebot des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO den maßgeblichen Sach- und Streitstoff nicht umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt.
[15] a) Mit der Annahme, der Kl. und sein Bruder seien im Rahmen des Treuhandvertrages als (Schein-)Sozien tätig geworden, hat das BG nicht die Bindungswirkung des Haftpflichturt. verkannt.
[16] aa) Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist grds. im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der VN dem Dritten gegenüber haftet. Ob der VR dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt. Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können und müssen (st. Rspr.: VersR 2011, 203 Rn 10 … ).
[17] Die Bindungswirkung geht aber nicht weiter, als sie danach geboten ist. Das ist nur insoweit der Fall, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, ein...