Die Kl. wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von einer in Polen erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
Der Kl. wurde im Juni 2000 ihre deutsche Fahrerlaubnis entzogen, da sie der Anordnung nicht nachgekommen war, an einem Aufbauseminar für wiederholt im Straßenverkehr auffällig gewordene Kraftfahrer teilzunehmen. Sie wurde in den folgenden Jahren mehrfach wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt.
Im September 2004 legte die Kl. der Fahrerlaubnisbehörde in Gütersloh eine am 4.8.2004 vom Landkreis Jeleniogorski erteilte polnische Fahrerlaubnis der Klasse B vor; im Führerschein ist ein Wohnsitz in Polen angegeben. Die Kl. wurde daraufhin vom Kreis Gütersloh mit Schreiben v. 20.4.2005 unter Hinweis auf die wiederholten Verkehrsverstöße in den Jahren 2000 bis 2002 aufgefordert, ein Fahreignungsgutachten vorzulegen. Aufgrund des Umzugs der Kl. nach Magdeburg wurden ihre Fahrerlaubnisunterlagen im Mai 2005 an die Bekl. weitergeleitet.
Mit Bescheid v. 24.3.2006 erkannte die Bekl. der Kl. das Recht ab, von ihrer polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Sie habe das angeforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt. Außerdem forderte die Bekl. die Kl. auf, den polnischen Führerschein zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen; sie ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des Führerscheins ein Zwangsgeld an. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.
Das VG Magdeburg [v. 19.1.2009 – VG 1 A 88/08 MD] hat den Bescheid v. 24.3.2006 aufgehoben, soweit der Kl. die Vorlage des Führerscheins aufgegeben und ihr ein Zwangsgeld angedroht wurde. Die Bekl. sei örtlich nicht zuständig gewesen, da die Kl. zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides an ihren Prozessbevollmächtigten ihren Wohnsitz wieder in Gütersloh gehabt habe. Das führe zur Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Vorlage des Führerscheins sowie der Zwangsgeldandrohung, da es sich hierbei nicht um gebundene Entscheidungen handele. Anders liege es bei der auf § 11 Abs. 8 FeV gestützten Aberkennungsentscheidung; insofern sei die örtliche Unzuständigkeit gem. § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich.
Mit Schreiben v. 27.3.2009 hat das Kraftfahrt-Bundesamt der Bekl. eine am 9.6.2004 ausgestellte Bescheinigung der Verwaltung in Jelenia Góra über einen Aufenthalt der Kl. in Polen in der Zeit vom 9.6.2004 bis zum 8.9.2004 übersandt. Dem BG sind außerdem Auskünfte von Interpol Warschau, dem Gemeinsamen Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit sowie eine weitere Bescheinigung der Kreisverwaltung in Jelenia Góra vorgelegt worden.
Das OVG des Landes Sachsen-Anhalt hat das erstinstanzliche Urt. geändert und den angegriffenen Bescheid auch hinsichtlich der Aberkennungsentscheidung aufgehoben [OVG LSA Urt. v. 14.3.2012 – OVG 3 L 56/09]. Die zulässige Klage sei auch insofern begründet. Zwar hätten die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine Aberkennung des Rechts vorgelegen, von der polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen; die Bekl. habe gem. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung der Kl. schließen dürfen. Doch widerspreche die Aberkennung dem unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz. Ein Zugriffsrecht bestehe danach dann, wenn der ausländische Führerschein unter Missachtung des Wohnsitzerfordernisses ausgestellt worden sei und dieser Verstoß aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststehe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Als Nachweis für einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis komme nur die Bescheinigung aus Jelenia Góra in Betracht, wonach die Kl. vom 9.6.2004 bis zum 8.9.2004 unter der im Führerschein genannten Adresse in Polen gemeldet gewesen sei. Dass die Kl. nach dieser Bescheinigung dort nur drei Monate gemeldet gewesen und der Führerschein nur knapp zwei Monate nach Beginn dieses Zeitraums ausgestellt worden sei, sei zwar ein Indiz dafür, dass die Kl. am 4.8.2004 ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in Polen gehabt habe, sondern sich dort nur zum Erwerb einer Fahrerlaubnis angemeldet habe. Doch werde damit das Fehlen eines ordentlichen Wohnsitzes in Polen nicht in unbestreitbarer Weise belegt. Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG sei nicht so zu verstehen, dass ein ordentlicher Wohnsitz im Sinne dieser Regelung erst dann bestehe, wenn eine Person bereits 185 Tage an dem betreffenden Ort gewohnt habe. Hiergegen spreche bereits der Wortlaut der Regelung. Das Merkmal "gewöhnlich" werde dahin konkretisiert, dass sich der Betr. an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr an dem Ort in einer Weise aufhalten müsse, die als Wohnen bezeichnet werden könne. Das setze nicht zwingend voraus, dass die 185 Tage zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung bereits verstrichen seien. Lasse sich eine Person an einem Ort, an dem sie über die erforderlichen Bindungen verfüge, in einer Weise nieder, die es als gesichert er...