StGB § 316 Abs. 1
Leitsatz
1. Tathandlung des § 316 Abs. 1 StGB ist das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr. Ein Verkehrsraum ist auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird.
2. Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (hier: Schließung einer Parkplatzschranke) (Festhaltung BGH, 4.3.2004 – 4 StR 377/03, NJ 2004, 1965).
BGH, Beschl. v. 30.1.2013 – 4 StR 527/12
Sachverhalt
Das LG hat den Angeklagten R. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es bestimmt, dass die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Der BGH hat das Urteil des LG teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[2] "1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das LG ihn wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt hat (Fälle II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe)."
[3] 2. Dagegen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das LG den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr für schuldig befunden hat (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Insofern belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte das Kfz im öffentlichen Verkehrsraum geführt hat.
[4] a) Tathandlung des § 316 Abs. 1 StGB ist das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr. Nach § 2 Abs. 1 StVG bedarf der Fahrerlaubnis, wer auf öffentlichen Straßen ein Kfz führt. Der Begriff des Straßenverkehrs i.S.d. §§ 315b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird (Senatsurt. v. 4.3.2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; Senatsbeschl. v. 8.6.2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625; SSW-StGB/Ernemann, § 142 Rn 9). Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen. Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig “öffentlich‘ und zu anderen Zeiten “nicht-öffentlich‘ sein (Geppert in LK-StGB, 12. Aufl., § 142 Rn 14). Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (vgl. Senatsurt. v. 4.3.2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 120; Pasker, NZV 1992, 120, 121). So liegt der Fall hier.
[5] b) Nach den Feststellungen steuerte der alkoholbedingt absolut fahruntüchtige Angeklagte R., der keine Fahrerlaubnis besaß, den seiner Ehefrau gehörenden Pkw, nachdem er zunächst im Ortsbereich von B. umhergefahren war, auf einen unbefestigten und zunächst frei zugänglichen Parkplatz neben einer Tankstelle. Zusammen mit dem Angeklagten K. misshandelte er daraufhin den Geschädigten R. P. durch eine Vielzahl wuchtiger Faustschläge und Fußtritte. Der Zeuge S., der vom Vermieter des Parkplatzes mit dem regelmäßigen Öffnen und Schließen zweier dort befindlicher Schranken beauftragt war, erfasste die Situation zunächst nicht richtig und rief den Angeklagten zu, sie sollten den Parkplatz mit ihrem Pkw verlassen, damit er die Schranke schließen könne. Der Angeklagte R. antwortete sinngemäß, er solle sich keine Gedanken machen, sie kämen schon vom Parkplatz herunter. Daraufhin ging der Zeuge weiter und schloss die Schranke der Parkplatzzufahrt. Als der Zeuge wenig später sah, wie die Angeklagten R. und K. auf den am Boden l...