I. Allgemeines

Zahlreiche Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen sind finanziert bzw. geleast. Insbesondere bei Leasingfahrzeugen handelt es sich regelmäßig um Neufahrzeuge. Diese stellen einen erheblichen Wert dar. Der Leasinggeber verpflichtet den Leasingnehmer regelmäßig zum Abschluss eines Vollkaskoversicherungsvertrags. Nichts anderes geschieht durch die finanzierende Bank, wenn nicht nur Neufahrzeuge, sondern häufig auch Altfahrzeuge finanziert werden. Auch hier wird dann regelmäßig zur Absicherung des Sicherungsgutes der Abschluss einer Vollkaskoversicherung vorgeschrieben. Mithin besteht bei zahlreichen Kraftfahrzeugen zugleich eine Vollkaskoversicherung.

Im Kaskobereich finden allein die vertragsrechtlichen Ansprüche Anwendung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Gemäß A.2.1.1 AKB 2008 ist in der Kaskoversicherung das Fahrzeug gegen Beschädigung oder Zerstörung versichert. Versicherungsschutz besteht nach A.2.3 bei Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeuges durch Unfälle. Im Hinblick auf den Sachverständigen heißt es unter A.2.8 wie folgt:

"Sachverständigenkosten"

Die Kosten eines Sachverständigen erstatten wir nur, wenn wir dessen Beauftragung veranlasst oder ihr zugestimmt haben.“

Das Bestimmungsrecht des Sachverständigen liegt mithin bei der Versicherung. Regelmäßig führt dies dazu, dass die Versicherung nur diejenigen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung beauftragt, die sich ihrem eigenen Regelwerk unterworfen haben.[27]

[27] Vgl. Becker, Wird die Schadenregulierung nach dem 50. Verkehrsgerichtstag für den Geschädigten fairer?, a.a.O.

II. Beweissicherung

Auch das Gutachten im Rahmen der Vollkaskoversicherung dient zum einen der Beweissicherung und zum anderen der Festlegung der Höhe des Schadens. Insoweit ist zu verweisen auf A.2.7.1 AKB 2008. Dort heißt es wie folgt:

"Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes nach A.2.6.6, wenn sie uns dies durch Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1

b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswertes (s. A.2.6.6 und A.2.6.7).“

III. Problematik des einseitigen Bestimmungsrechts

Zwischen dem Versicherer und dem beauftragten Sachverständigen besteht regelmäßig eine vertragliche Bindung. Da der Versicherer sich die Beauftragung des Sachverständigen vorbehalten hat, besteht hier regelmäßig keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit des Geschädigten. Da der vom Versicherer beauftragte Sachverständige aber immer wieder neue Aufträge durch seine "Hauptauftraggeber" erhalten möchte, wird er sich dem Bedingungswerk der Versicherung unterwerfen und die Gutachten erstellen, die der Auftraggeber erwartet.[28]

[28] Vgl. Becker, Wird die Schadenregulierung nach dem 50. Verkehrsgerichtstag für den Geschädigten fairer?, a.a.O.

IV. Meinungsverschiedenheit über die Schadenhöhe, das Sachverständigenverfahren

In den AKB 2008 ist unter A.2.17 das sog. Sachverständigenverfahren vorgesehen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturkosten soll ein Sachverständigenausschuss entscheiden. Für den Ausschuss benennt der Versicherer und der Versicherungsnehmer je einen Kfz-Sachverständigen. Diese bestimmen einen Obmann, der dann tätig wird, wenn die beiden Sachverständigen sich nicht einigen können. Die Kosten des Sachverständigenverfahrens werden dann regelmäßig von der unterlegenen Partei getragen. Kommt es zu einer Quotierung, so werden die Kosten nach der Quote des Obsiegens und Unterliegens aufgeteilt. Bei dem Sachverständigenverfahren handelt es sich um das traditionelle Verfahren. Dies wird erfahrungsgemäß nur selten durchgeführt, weil es schwerfällig und teuer ist.

V. Sonstige Einwirkungsmöglichkeiten des geschädigten Versicherungsnehmers

1. Vorherige Inanspruchnahme des Schädigers

Insbesondere bei Quotierungsfällen hat der geschädigte Versicherungsnehmer vielversprechende Möglichkeiten, in seinem Sinne tätig zu werden. So kann er bei einer anzunehmen Haftungsquote zunächst das Gutachten "eines freien ggf. öffentlich bestellten Sachverständigen" in Auftrag geben. Wenn er sich dann mit diesem Gutachten nach einer Teilregulierung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung seinem Vollkaskoversicherer zuwendet, so wird dieser schlimmsten Falls darauf hinweisen, dass er die diesbezüglich angefallenen Kosten nicht übernimmt.[29]

"Die Kosten eines ohne Abstimmung mit dem Versicherer beauftragten Sachverständigen ersetzt der Versicherer nicht."

Dies kann im Ergebnis verschmerzt werden, weil im Hinblick auf das in § 86 VVG geregelte Quotenvorrecht im Ergebnis gleichwohl die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen sind.

[29] Vgl. Vertragsgrundlagen der LVM Versicherungen, AKB Stand Oktober 2003, § 13 Abs. 6.

2. Selbstständiges Beweisverfahren

Nach § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO kann eine Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein re...

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