1. Vorherige Inanspruchnahme des Schädigers

Insbesondere bei Quotierungsfällen hat der geschädigte Versicherungsnehmer vielversprechende Möglichkeiten, in seinem Sinne tätig zu werden. So kann er bei einer anzunehmen Haftungsquote zunächst das Gutachten "eines freien ggf. öffentlich bestellten Sachverständigen" in Auftrag geben. Wenn er sich dann mit diesem Gutachten nach einer Teilregulierung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung seinem Vollkaskoversicherer zuwendet, so wird dieser schlimmsten Falls darauf hinweisen, dass er die diesbezüglich angefallenen Kosten nicht übernimmt.[29]

"Die Kosten eines ohne Abstimmung mit dem Versicherer beauftragten Sachverständigen ersetzt der Versicherer nicht."

Dies kann im Ergebnis verschmerzt werden, weil im Hinblick auf das in § 86 VVG geregelte Quotenvorrecht im Ergebnis gleichwohl die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen sind.

[29] Vgl. Vertragsgrundlagen der LVM Versicherungen, AKB Stand Oktober 2003, § 13 Abs. 6.

2. Selbstständiges Beweisverfahren

Nach § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO kann eine Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand oder Wert einer Sache oder der Aufwand für die Beseitigung eines Sachschadens festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreites dienen kann. Der BGH[30] hat ausgeführt, dass der Begriff des "rechtlichen Interesses" weit auszulegen ist. Ein rechtliches Interesse soll nur dann verneint werden können, wenn evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann.[31] § 485 Abs. 2 ZPO wurde im Jahre 1990 in die ZPO eingefügt. Das selbstständige Beweisverfahren hat – aus welchen Gründen auch immer – bis zum heutigen Tage wenig Eingang gefunden in die versicherungsvertragsrechtliche Schaderegulierung. Gleichwohl sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum das gerichtliche selbstständige Beweisverfahren nicht auch im Versicherungsvertragsrecht Anwendung findet.[32] Gemäß der Entscheidung des OLG Celle stellt das selbstständige Beweisverfahren ein probates Mittel dar, auch im Versicherungsvertragsrecht zu entsprechenden Feststellungen zu gelangen. Bestehen daher im Kaskobereich oder aber auch im Bereich der Unfallversicherung Meinungsverschiedenheiten über die Schadenhöhe, so stellt das selbstständige Beweisverfahren – insbesondere unter Kostengesichtspunkten – ein geeignetes Mittel dar, hier zu einer sachgerechten Feststellung zu gelangen. Auch das selbstständige Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, so dass die hier anfallenden Gerichtskosten nach § 5c ARB 2008 zu übernehmen sind, auch wenn Rechtschutzversicherungen im ersten Anschreiben nicht selten abweichendes behaupten. Selbstredend wird für entsprechende Anträge auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen sein, wenn die Erfolgsaussichten sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dies gebieten. Gerade die hinreichende Erfolgsaussicht dürfte regelmäßig gegeben sein, ist doch der vom Versicherer beauftragte Sachverständige regelmäßig den Richtlinien des Versicherers unterworfen, mit der Folge, dass die von dem Versicherer in Auftrag gegebenen Gutachten häufig angreifbar sind.[33]

[30] Beschl. v. 20.10.2009 – VI ZB 53/08.
[33] Vgl. Becker, Wird die Schadenregulierung nach dem 50. Verkehrsgerichtstag für den Geschädigten fairer?, a.a.O.

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