StVG § 24a Abs. 1; StPO § 261; OWiG § 71
Leitsatz
1. Ergibt sich die Wartezeit zwischen Verkehrskontrolle (Trinkende) und der ersten Atemalkoholmessung nicht aus der Erinnerung des Polizeibeamten, aber aus einem gefertigten Vermerk des Polizeibeamten, darf nicht nur aufgrund der fehlenden Erinnerung des Zeugen zugunsten des Betr. angenommen werden, dass die Nichteinhaltung der erforderlichen Wartezeit gegeben sei.
2. Die Messung der Atemalkoholkonzentration ist bei Nichteinhaltung der Wartezeit jedenfalls dann nicht von vornherein unverwertbar, wenn die gemessene Atemalkoholkonzentration deutlich über dem Gefahrengrenzwert liegt. Hier muss ein Sachverständiger zur Klärung der Frage, ob die mit der Nichteinhaltung der Wartezeit verbundenen Schwankungen der Messwerte durch einen Sicherheitsabschlag ausgeglichen werden können, hinzugezogen werden.
3. Die Annahme eines sog. Sturztrunks des Betr. kann nicht nur damit begründet werden, dass keine Erkenntnisse über das Trinkverhalten des Betr. kurz vor der Kontrolle vorgelegen haben. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Betr. von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.4.2013 – Ss (B) 133/2012 (101/12 OWi)
Sachverhalt
Gegen den Betr. wurde wegen Führens eines Kfz mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr eine Geldbuße von 500 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt (Atemalkoholkonzentration 0,52 mg/l). Auf den Einspruch des Betr. sprach ihn das AG frei. Zur Begründung führte das AG im Wesentlichen Folgendes aus:
"Der Betr. wurde einer Verkehrskontrolle unterzogen durch den Zeugen ….Dessen Aussage zufolge … war nicht sicher, ob die Kontrolle genau um 4.30 h stattfand oder einige Minuten später – entgegen Polizeivermerk vorn 13.7.2011 … Eine … Messung mit dem … gültig geeichten Messgerät Evidential ergab zum Zeitpunkt der 1. Messung um 4.50 h eine Atemalkoholkonzentration von 0,521 mg/l und bei einer 2. Messung um 4.53 h eine Atemalkoholkonzentration von 0,526 mg/l."
Da der Zeuge nicht sicher bekunden konnte, ob die Kontrolle genau um 4.30 h oder einige Minuten später erfolgte, war zugunsten des Betr. nicht auszuschließen, dass zwischen Trinkende und 1. Messung keine Wartezeit von 20 Minuten eingehalten worden war. Vorliegend lag jedoch der gemessene Wert weit über dem Grenzwert von 0,25 mg/l. Daher bedurfte es der Klärung durch ein Sachverständigengutachten, ob Messung und Messergebnis trotz der Nichteinhaltung der Wartezeit von 20 Minuten verwertbar waren durch einen die eventuellen Schwankungen ausschließenden Sicherheitsabschlag.
Nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptvorhandlung war jedoch nicht auszuschließen, dass der hohe gemessene Wert durch einen sog. Sturztrunk vor der Kontrolle bedingt gewesen sein könnte. Vor dem Hintergrund, dass keine Erkenntnisse über das Trinkverhalten des Betr. kurz vor der Kontrolle vorlagen, war zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass kurz vor der Kontrolle ein solcher Sturztrunk stattgefunden hatte.“
Mit der gegen diese Entscheidung geführten Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.
2 Aus den Gründen:
"Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da die Beweiswürdigung des AG durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet."
1. Wenn auch im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 71 Rn 106; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn 42, jew. m.w.N.), kann für deren Inhalt grds. nichts anderes gelten als im Strafverfahren. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (vgl. Göhler-Seitz, a.a.O., § 71 Rn 42 m.w.N.). Demnach hat der Tatrichter auch bei einem freisprechenden Urteil im Bußgeldverfahren in den Urteilsgründen gem. § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 5 S. 1 StPO grds. zunächst diejenigen Tatsachen zu bezeichnen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen er die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht hat treffen können. Dabei muss die Begründung so abgefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 182; OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.2012 – 3 Ss OWi 468/12, juris; Göhler-Seitz, a.a.O., § 71 Rn 43, jew. m.w.N.).
Spricht das Tatgericht den Betr. – wie hier, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch aus den Urteilsgründen ersichtlich – aus tatsächlichen Gründen frei, weil es sich ...