Die Entscheidung beinhaltet gleich mehrere Problemfelder des Verfahrens nach §§ 73, 74 OWiG. Wird ein Terminsverlegungsantrag des Betr. unsachgemäß (z.B. "Ansonsten wäre an dem Terminstag kein anderes Verfahren zu der Uhrzeit terminierbar") abgelehnt, stellt das nachfolgende Verwerfungsurteil eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (OLG Bamberg StraFo 2011, 232). Die Ablehnung eines auf die Verhinderung des Verteidigers gestützten Terminsaufhebungs- oder -verlegungsantrags als solche berührt den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG jedoch nicht, so dass ein Verwerfungsurteil in diesem Fall nur verfahrensfehlerhaft wäre: Der Betr. könnte sich ja dennoch rechtliches Gehör verschaffen; es liegt aber möglicherweise ein Verstoß gegen die prozessuale Fürsorgepflicht vor (OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2012 – 3 RBs 253/12, juris; im Anschluss an BayObLG zfs 1994, 387). Hierbei kommt es auf das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Interesse des Betr. an seiner wirksamen Verteidigung und dem Interesse an einer möglichst reibungslosen und zügigen Durchführung des Verfahrens an. Hat das Amtsgericht einen solchen Antrag rechtsfehlerhaft abgelehnt, beruht ein im Termin ergangenes Verwerfungsurteil auf diesem Rechtsfehler, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betr. in einer Hauptverhandlung an einem anderen Tage erschienen wäre.
Ebenfalls als Aspekt der Fürsorgepflicht wurde gewertet, dass das Gericht bei Ankündigung einer Verspätung nicht einfach den Einspruch nach 15 Minuten Wartezeit verwerfen darf (KG Berlin VRS 123, 291). Erscheint ein Betr. bzw. sein Verteidiger wider Erwarten nicht und besteht auch keine Vermutung, dass er ohnehin nicht erscheinen wird, kann das Gericht zur Nachforschung verpflichtet sein. Ob diese aufgrund der Fürsorgepflicht des Gerichts oder aufgrund der Aufklärungspflicht betrieben wird, kann meist dahingestellt bleiben (Vgl OLG Bamberg NZV 2009, 355; OLG Köln NZV 2003, 439), jedenfalls ist bei überraschendem Ausbleiben des Betr. bzw. des Verteidigers auch eine Nachschau beim Faxgerät der Geschäftsstelle geboten (nicht aber beim Zentralfax des Gerichts, OLG Köln VRS 93, 357; OLG Bamberg NZV 2009, 355; Göhler/Seitz, § 74 Rn 31; außer die Mitteilung ist angekündigt OLG Köln VRS 101, 126), denn ob ein bei Gericht eingegangener Entschuldigungsgrund zu den Akten gelangt ist, ist nicht maßgebend (KG VRS 116, 454; OLG Bremen NZV 2002, 195). So lag der Fall auch hier.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 9/2013, S. 530 - 531