BGB § 823 Abs. 1 § 831; SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 § 104 § 105 § 106 Abs. 3 Alt. 3; ZPO § 314 § 531 Abs. 2 Nr. 3
Leitsatz
1. Gem. § 104 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
2. Sind auf einer Baustelle mehrere Unternehmen arbeitsteilig tätig und übt der Inhaber einer Dachdeckerfirma neben der eigenen handwerklichen Tätigkeit Arbeiten der Koordinierung und die Bauaufsicht aus und beschränkt sich nicht auf eine bloße unternehmerische Leitungsfunktion, greift im Falle des Sturzes eines Arbeiters von der Dachfläche – Herabgleiten von einer Rüstbohle und Fall durch ein Rüstfeld ohne Fangnetz – eine Haftungsfreistellung des Dachdeckers nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII i.V.m. §§ 104, 105 SGB VII ein.
3. Zwar greift die Haftungsprivilegierung grds. für die beteiligten Unternehmen nicht ein (in Anknüpfung an BGHZ 148, 214, 216 = VersR 2001, 1028; BGH, Urt. v. 25.6.2002 – VI ZR 279/01, VersR 2002, 1107; Urt. v. 29.10.2002 – VI ZR 283/01, VersR 2003, 70 = NJW-RR 2003, 239), ausnahmsweise kommt aber eine Haftungsfreistellung dem versicherten Unternehmer zugute, wenn er selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt hat. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Rechtfertigung sich insb. in dem Gesichtspunkt der sog. Gefahrengemeinschaft findet (in Anknüpfung an BGHZ 148, 214, 220 f. = VersR 2002, 1107; BGH, Urt. v. 29.10.2002, a.a.O..; Urt. v. 3.7.2001 – VI ZR 198/00 – NJW 2001, 3127 ff. = BGHZ 148, 209 ff. = VersR 2001, 1156 f.)
4. Wendet eine Partei ein, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht eine Tatsache als unstreitig behandelt, ist sie im Hinblick auf die Tatbestandswirkung des Urteils an diese Feststellungen gebunden, wenn sie keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt hat (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschl. v. 12.6.2012 – 2 U 561/11 – BauR 2012,1838).
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 8.1.2013 – 3 U 731/12
Sachverhalt
Der Kl. nimmt den Bekl. auf Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich seines Zukunftsschadens aus einem Unfallereignis in Anspruch. Zur Zeit des Unfallereignisses war der Kl. bei einer Industriemontagefirma beschäftigt, die mit der Montage des Lichtbandes und der Rauch- und Wärmeabzugsanlage im Firstbereich eines Bauvorhabens von der Firma J beauftragt worden war. Der Bekl., der eine Dachdeckerfirma betreibt, war mit der Herstellung der Dacheindeckung beauftragt worden. Als Subunternehmerin hatte der Bekl. die Firma J eingeschaltet. Der Bekl. leitete die Dachdeckerarbeiten und koordinierte die Tätigkeit seiner Mitarbeiter. Unter anderem nahm er an einer Besprechung mit einem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft teil, stellte zwei Leitern als Aufstiegsmöglichkeit auf die Dachfläche an und veranlasste das Anbringen einer Besenrüstung im Firstbereich. Bei Montagebeginn rutschte der Kl. von einer vereisten Rüstbohle die Dachneigung herab, an deren Ende sich eine Rüstung mit Fangnetz befand. Er stürzte durch das nicht mit einem Fangnetz gesicherte Rüstfeld ca. 5–6 Meter in die Tiefe und erlitt erhebliche Verletzungen. Der Kl. hat den Bekl. wegen einer unzureichenden Sicherung der Baustelle für haftbar gehalten. Der Bekl. hat sich u.a. darauf bezogen, dass ihm der Haftungsausschluss wegen Vorliegens einer gemeinsamen Betriebsstätte zuzubilligen sei.
Das LG hat die Klage abgewiesen. In seinem Hinweisbeschluss ging das BG von einer fehlenden Erfolgsaussicht der Berufung des Kl. aus.
2 Aus den Gründen:
"Das LG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Kammer hat dahinstehen lassen, ob Mitarbeiter des Bekl. oder die Firma L den Unfall schuldhaft verursacht haben und der Bekl. sich ihr Verhalten gem. § 831 BGB im Rahmen der Haftung für den Verrichtungsgehilfen zurechnen lassen muss oder ob dem Bekl. eine Aufsichtspflicht oblag, er diese verletzt hat und gem. § 823 Abs. 1 BGB aus unerlaubter Handlung unmittelbar haftet."
Mit Recht nimmt das LG an, dass sich der Bekl. nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII i.V.m. §§ 104, 105 SGB VII jedenfalls auf eine Haftungsfreistellung berufen kann. Gem. § 104 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Gem. § 105 S...