VVG § 34a a.F.; MB/KT § 15; BGB § 280 Abs. 1 § 823 Abs. 1 § 253
Leitsatz
1. Übersendet ein Krankentagegeldversicherer mit dem offenkundigen Ziel, eine leistungsbefreiende Berufsunfähigkeit nach § 15 Abs. 1b MB/KT herbeizuführen, ohne Einwilligung des VN ein medizinisches Gutachten an den Arbeitgeber des VN und suspendiert dieser daraufhin den VN aus seinem Dienst, so hat der Krankentagegeldversicherer dem VN den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
2. Eine Schweigepflichtentbindung, die lediglich einen Hinweis auf eine "Begutachtung im Rahmen des AU-Fallmanagements" enthält, bewirkt weder die notwendige Beschränkung auf versicherungsrechtlich relevante Zwecke noch des Umfangs der hierfür zu erhebenden Daten und ist damit datenschutzrechtlich zu generalisiert und unzulässig.
3. Die rechtswidrige Übersendung eines Gutachtens mit Einzelheiten zur Lebens- und Krankheitsgeschichte stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des VN dar und rechtfertigt ein nicht unerhebliches Schmerzensgeld.
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2012 – 12 U 181/11
1 Aus den Gründen:
" … Die Bekl. haftet dem Kl. sowohl wegen Vertragsverletzung als auch deliktisch auf den Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens."
1. Der vertragliche Ersatzanspruch ist aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Versicherungsvertrag der Parteien begründet. Gegen die sich daraus ergebenden Pflichten haben die Mitarbeiter der Bekl. schuldhaft verstoßen, was sich die Bekl. gem. §§ 276, 278 wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss. Denn sie hat sich ihrer angestellten Mitarbeiter K und S zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Kl. bedient. …
Die Reichweite der Berechtigung der Bekl. zur Erhebung, Verarbeitung und Weiterleitung von Gesundheitsdaten des VN ergibt sich aus den Rechtsgrundlagen des Versicherungsverhältnisses. Gegen die hieraus folgenden Verpflichtungen haben die Mitarbeiter der Bekl. mit der Übersendung des Gutachtens des Klinikums S v. 8.8.2006 an den F-Dienst verstoßen.
a) Nach § 34 VVG a.F. kann die Bekl. die Auskünfte verlangen, die für die Feststellung eines Versicherungsfalles oder den Umfang ihrer Leistungspflicht erforderlich sind. Die Befragung des Kl. und eine Aufforderung zur Vorstellung für eine ärztliche Untersuchung waren grds. zulässig. Für eine Übermittlung der Daten an Dritte bedurfte es hingegen einer wirksamen Einwilligung des Kl. und eines Prüfungszwecks, der noch im Rahmen der versicherungsvertraglichen Aufgabenerfüllung der Bekl. lag. Aufgrund einer wirksamen Einwilligung wäre es daher zulässig gewesen, das Gutachten an einen externen Dritten zu übersenden, wenn dieser ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet und für die Beurteilung der Versicherung, ob Leistungen zu gewähren sind, herangezogen werden musste. Vorliegend hat die Bekl. zwar versucht, vom medizinischen Dienst der L weitergehende Auskünfte zum Gesundheitszustand des Kl. zu erhalten, wie ihre Fragen im Anschreiben v. 25.10.2006 belegen. Der medizinische Dienst des Arbeitgebers des Kl. war hierfür jedoch unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht der falsche Adressat, weil er zur Offenlegung seiner Erkenntnisse gegenüber der L zumindest berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet war.
b) Die Übersendung des Gutachtens verfolgte vertragswidrige Zwecke, weil sie nicht einer den Vertragsregeln entsprechenden Überprüfung des Gesundheitszustandes des Kl. diente. Die Pflichtverletzung der Bekl., unter Verstoß gegen die vertraglichen Grundlagen einer Datenübermittlung ergibt sich daraus, dass die Bekl. mit der Übersendung des Gutachtens nicht dem Sinn ihrer Ermächtigung zur Datenerhebung und Datenverarbeitung entsprechend, sondern zu anderen Zwecken gehandelt hat. Dies entnimmt der Senat dem Anschreiben v. 25.10.2006. Die von der Bekl. gestellten Fragen zur gesundheitlichen und beruflichen Entwicklung des Kl. hätten auch ohne eine Übersendung des Gutachtens erhoben werden können. Die für die Beantwortung der Fragen überflüssige Übersendung des Gutachtens lässt erkennen, das der Bekl. nicht in erster Linie an Aufklärung der Arbeitsunfähigkeit des Kl., sondern an dessen Herausnahme aus dem fliegerischen Reintegrationsprogramm und infolgedessen an einer Überleitung in eine dauerhafte, für sie leistungsfreie Berufsunfähigkeit gelegen war. Offenkundig ist der flugmedizinische Dienst des Arbeitgebers des Kl. für eine Unterstützung bei der Prüfung der Ansprüche der denkbar ungeeigneteste Ansprechpartner, weil er nicht zur Verschwiegenheit, sondern dem Arbeitgeber zur Offenbarung verpflichtet war. Dieser Zusammenhang lag für die Mitarbeiter der Bekl. auf der Hand. Auf die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens kommt es dafür nicht an. Schon die bloße Übersendung eines vom fliegerischen Einsatz des Kl. abratenden Gutachtens an den medizinischen Dienst des Arbeitgebers hatte die vorhersehbare Folge einer vorbeugenden Suspendierung des Kl. aus Sicherheitsgründen, lag außerhalb des Vertragszwecks und war ohne ausreiche...