Nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO – der gem. § 163a Abs. 4 S. 2 StPO auch bei der Vernehmung durch einen Polizeibeamten gilt – ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freisteht, sich zu der Anschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen Anwalt einzuschalten.

Zu belehren ist der "Beschuldigte" auch dann, wenn er ursprünglich als Zeuge befragt worden war, er aber nun aus Sicht der Ermittlungsbehörden als Täter in Betracht kommt.[17]

Das Gesetz, das in § 136 Abs. 1 S. 2 und in § 243 Abs. 4 StPO den Vernehmenden verpflichte, auf das Recht, nicht aussagen zu müssen, hinzuweisen, gehe davon aus, dass ein solcher Hinweis zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten/Angeklagten notwendig sei, weil das Schweigerecht nicht allgemein bekannt sei. Deshalb sichere der Hinweis auf das Schweigerecht ein faires Verfahren. Durch das Unterbleiben des Hinweises werde der Zweck der Vorschrift vereitelt, die Rechtsausübung auf eine Alternative beschränkt, das Recht selbst verkürzt. Aus seiner Bedeutung folge, dass ein Verfahrensverstoß von Gewicht vorliege. Das Interesse des Angeklagten, dass ihm gegenüber rechtsstaatlich verfahren werde und er nicht Zeuge gegen sich selbst zu sein brauche, sei berührt.

Für die Hinweispflicht, die im Ermittlungsverfahren dem Richter, dem Staatsanwalt und dem Polizeibeamten obliege (§ 136 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 163a StPO), könne nichts anderes gelten. Der Beschuldigte sei bei der ersten Vernehmung durch die Polizei, verglichen mit den Verhältnissen in der Hauptverhandlung, nicht in geringerem, sondern eher in größerem Maße der Gefahr ausgesetzt, sich selbst zu belasten. Während der Angeklagte sich auf sein Aussageverhalten in der Hauptverhandlung in Ruhe vorbereiten und dabei Rechtsrat einholen könne, überdies in der Hauptverhandlung einen Verteidiger zur Seite habe, treffe die erste Vernehmung durch die Polizei den Beschuldigten meist unvorbereitet, ohne Ratgeber und auch sonst von der vertrauten Umgebung abgeschnitten, nicht selten auch durch die Ereignisse verwirrt und durch die ungewohnte Umgebung bedrückt oder verängstigt.

Die Beschuldigteneigenschaft setzt zwar nicht nur das objektive Bestehen eines Verdachts, sondern auch den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde hinsichtlich einer Verdachtshypothese voraus, der sich in einem Willensakt manifestiert. Wird gegen eine Person förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Aber auch ohne förmliche Verfahrenseröffnung gegen die Person ist die konkludente Zuweisung der Rolle als Beschuldigter möglich. Dies richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten bei seinen Aufklärungsmaßnahmen nach außen darstellt. Ist eine Ermittlungshandlung darauf gerichtet, den Vernommenen als Täter einer Straftat zu überführen, kommt es daher nicht mehr darauf an, wie der Ermittlungsbeamte sein Verhalten rechtlich bewertet.[18]

Der hohe Rang der Selbstbelastungsfreiheit gebietet es, dass auch Spontanäußerungen – zumal zum Randgeschehen – nicht zum Anlass für sachaufklärende Nachfragen genommen werden, wenn der Beschuldigte nach Belehrung über seine Rechte nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO die Konsultation durch einen benannten Verteidiger begehrt und erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.[19]

Trifft ein Polizeibeamter eine offensichtlich alkoholisierte Person in einem offensichtlich beschädigten Pkw schlafend an, ist dieser, bevor er befragt wird, als Beschuldigter zu belehren. Ein Verstoß gegen diese Belehrungspflicht begründet ein Beweisverwertungsverbot. Wird der noch unter Alkoholeinfluss stehende Beschuldigte etwa eine Stunde später als Beschuldigter belehrt und erneut befragt, ohne auf die Unverwertbarkeit der Angaben in der ersten Vernehmung hingewiesen zu werden, können auch diese Angaben einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.[20]

[20] AG Gelnhausen, Urt. v. 12.2.2014 – 48 Ds-4475 Js 19703/13, BeckRS 2015, 6332.

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