Alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbots ist § 25 Abs. 1 StVG, der als Voraussetzung eine grobe oder beharrliche Pflichtverletzung aufführt. Bei den Tatbeständen, für die die Bußgeldkatalogverordnung die Anordnung eines Fahrverbots vorsieht, ist zunächst einmal zulässigerweise davon auszugehen, dass ein grober Verstoß i.S.v. § 25 Abs. 1 StVG vorliegt, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, die die Anordnung eines Fahrverbots als Denkzettel oder Besinnungsmaßnahme erfordert (OLG Karlsruhe NZV 2005, 54). Von einem Ausnahmefall, der die Annahme grob verkehrswidrigen Verhaltens entfallen lässt, kann z.B. im Fall des sog. Augenblicksversagens ausgegangen werden. Begrifflich wird mit Augenblicksversagen zunächst nur ein Versagen des Betroffenen umschrieben, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Handelnde für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum, nämlich nur für einen "Moment/Augenblick" lang, die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Allein hieraus lässt sich allerdings nicht schon ein ausreichender Anlass ableiten, den Schuldvorwurf herabzustufen, sofern alle sonstigen (objektiven) Merkmale einer groben Pflichtverletzung i.S.v. § 25 Abs. 1 StVG gegeben sind (BGH NJW 1992, 2418; OLG Bamberg v. 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15).
Aufgabe der Verteidigung ist es insoweit, darauf hinzuwirken, dass weder die Verwaltungsbehörde noch der Tatrichter ein entsprechend grob verantwortungsloses Verhalten feststellen können.
Von einem Augenblicksversagen, welches die grobe Pflichtverletzung entfallen lassen kann, kann beispielsweise dann ausgegangen werden, wenn ein Ortsfremder ein Ortseingangsschild und mithin die entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzung übersieht, sich aber aufgrund der vorhandenen Bebauung noch außerhalb einer geschlossenen Ortschaft wähnt (OLG Dresden DAR 2006, 30). Auch das Übersehen eines Geschwindigkeitsbegrenzungsschildes außerhalb geschlossener Ortschaften kann unter Umständen dann als Augenblicksversagen gewertet werden, wenn aufgrund der Gesamtverkehrssituation sich die Anordnung einer entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zwingend aufdrängt (OLG Zweibrücken zfs 2017, 53; OLG Karlsruhe NZV 2006, 325; OLG Düsseldorf DAR 2015, 213). Insgesamt ist es so, das wenn ein Geschwindigkeitsverstoß auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen ist, das weder auf grober Nachlässigkeit noch auf Gleichgültigkeit beruht, die Verhängung eines Regelfahrverbots nicht gerechtfertigt ist (OLG Dresden a.a.O.).
Bei Rotlichtverstößen ist ebenfalls eine Berufung auf ein Augenblicksversagen möglich, z.B. wenn der Betroffene geltend macht, durch eine Adressensuche abgelenkt gewesen zu sein (OLG Hamm NZV 2005, 489). Bei Rotlichtverstößen kommt auch die Berufung darauf in Betracht, dass der Betroffene ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Der Betroffene sollte sich allerdings auf die Umstände, die ein Augenblicksversagen rechtfertigen können, ausdrücklich berufen, da der Bußgeldrichter nicht von Rechts wegen gehalten ist, sich mit der Möglichkeit des Augenblicksversagens zu beschäftigen, wenn der Betroffene sich nicht darauf beruft oder andere Umstände zu dieser Annahme drängen (OLG Zweibrücken a.a.O.). Umgekehrt ist der Bußgeldrichter allerdings auch nicht gehindert, eine entsprechende Möglichkeit von Amts wegen zu erwägen (OLG Zweibrücken a.a.O.). Beruft sich der Betroffene in einem Bußgeldverfahren auf das Augenblicksversagen, macht es dies für den Tatrichter erforderlich, sich mit dem entsprechenden Vorbringen auch qualifiziert im Urteil auseinanderzusetzen (OLG Hamm a.a.O.).
Da die Erfahrung zeigt, dass ohne entsprechenden Vortrag und eine Berufung auf das Augenblicksversagen eine Auseinandersetzung der Behörde und des Gerichts mit entsprechenden Umständen nicht erfolgt, ist dringend anzuraten, in geeigneten Fällen im Rahmen der Einlassung entsprechend vorzutragen.