ZPO § 286
Leitsatz
Der VN genießt in der Transportversicherung keine Beweiserleichterungen in Bezug auf das beförderte und abhandengekommene Transportgut.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 74/14
Sachverhalt
I. Die Kl. fordert Leistungen aus einer von ihr bei der Bekl. unter anderem auch zugunsten der A gehaltenen Transportversicherung.
Nach der Behauptung der Kl. schloss die Versicherte im Oktober 2008 mit der Verkäuferin M einen Vertrag über die Lieferung von Elektronikartikeln im Werte von 449.588,25 EUR und beauftragte den italienischen Frachtführer T damit, die Ware von N in ein Lager in V zu transportieren. Am 4.12.2008 habe der Zeuge C die von der Verkäuferin bereitgehaltenen Güter verpackt auf 33 Paletten geladen, um damit am darauffolgenden Tag nach V zu fahren. Am 5.12.2008 zwischen 4.10 Uhr und 4.20 Uhr sei er bei der Auffahrt auf die Autobahn Opfer eines Raubüberfalls geworden, bei dem er von den unbekannten Tätern zum Anhalten gezwungen, in einen Pkw verbracht und später freigelassen worden sei, während sein Lkw samt Ladung weggefahren worden sei.
LG und OLG haben die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[9] "… 1. Eine – vom BG angenommene – Klärungsbedürftigkeit der Frage, ob dem VN einer Transportversicherung Beweiserleichterungen in Bezug auf das beförderte und abhanden gekommene Transportgut zu gewähren sind, ist nicht ersichtlich. …"
[11] a) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherte einer Geld- und Werttransportversicherung darlegen und beweisen muss, dass ein geltend gemachter Schaden in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt (Senat VersR 2011, 918 Rn 41; VersR 2012, 566 Rn 30). Er hat in diesem Zusammenhang unter anderem ausgeführt, dass der Auftraggeber eines Transportes infolge des mit dem VN vereinbarten Transportvertrags besseren Einblick in die für den Transport verabredeten Abläufe hat als der Transportversicherer, der regelmäßig keine – eigene – Kenntnis von den konkreten Transportvorgängen erlangt, und es der Auftraggeber über die Gestaltung des Transportvertrags selbst in der Hand hat, seine Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen. …
[12] Daher erschien es dem Senat nicht geboten, dem Transportversicherer in Abweichung von dem Grundsatz, dass derjenige, der Versicherungsleistungen beansprucht, den Versicherungsfall darlegen und beweisen muss, die Darlegungslast dafür aufzuerlegen, dass das Transportgut seinen Bestimmungsort unversehrt erreicht hat. …
[13] Das lässt sich auf den Streitfall in der Weise übertragen, dass Auftraggeber und Transporteur es ohne Weiteres in der Hand haben, die Beförderung des Transportgutes nach Art und Menge ausreichend zu dokumentieren, während der VR insoweit keinen Einblick hat. Auch insoweit ist es nicht angezeigt, dem VN Beweiserleichterungen im Hinblick auf Umstände zu gewähren, die sich einerseits der Kenntnis des VR entziehen und die andererseits für den VN bei ordnungsgemäßer Dokumentation des Transportvorganges ohne unzumutbaren Aufwand zu belegen sind.
[14] b) Eine Kontroverse in Literatur und/oder Rspr. zur Frage des Beweismaßes für den Nachweis des Vorhandenseins und der Vollständigkeit der an den Transporteur übergebenen Güter in der Transportversicherung und zur Frage, ob dem VN insoweit Beweiserleichterungen zugutekommen sollen, zeigen weder das Berufungsurteil noch die Revision auf. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich.
[15] 2. Soweit die Revision beanstandet, das BG habe es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die Rspr. des I. Zivilsenats des BGH zum Vollbeweis von Transportschäden in Haftungsfällen wegen Verlustes von Transportgut auf den Streitfall zu übertragen, deckt sie keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler und damit ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO auf.
[16] Selbst wenn diese Rechtsprechungsgrundsätze im Streitfall Anwendung fänden, könnte die Kl. – anders als die Revision meint – den Beweis für den Transport und den Verlust des behaupteten Transportgutes nicht im Wege eines Anscheinsbeweises führen. Zu Recht verweist die Revisionserwiderung darauf, dass der I. Zivilsenat mit Urt. v. 13.9.2012 (NJW-RR 2013, 813 Rn 13, 16–19 m.w.N.) ausgesprochen hat, wer Schadensersatz wegen des Verlustes von Transportgut begehre, müsse substantiiert darlegen und im Bestreitensfalle auch beweisen, dass das Gut während der Obhutszeit beim Transportunternehmen abhandengekommen und wie hoch der eingetretene Schaden sei. Dies umfasse neben dem Beweis der Übernahme von Gütern als solchen auch den Nachweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands. Ob dieser Beweis geführt sei, sei grds. nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts, insb. nach § 286 ZPO, zu beurteilen. Der I. Zivilsenat des BGH ist (a.a.O. Rn 16) dabei ausdrücklich von seiner früheren Rspr. (vgl. nur BGH TransportR 2003, 156, VersR 2007, 564 Rn 19) abgerückt, nach welcher der Anscheinsbeweis in Fällen angewendet werden konnte, in dene...