BGB § 249 § 398; RDG § 5 I; ZPO § 287
Leitsatz
1. Der Geschädigte kann sich des Risikos, dass er bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs das Maß des Erforderlichen überschritten hat, nicht dadurch entledigen, dass er auf Freistellung von der Forderung des Mietwagenunternehmens klagt.
2. Soweit erforderlich sind die ortsüblichen Mietwagenkosten auf der Grundlage des arithmetischen Mittels aus den Ergebnissen, die sich bei Anwendung der Schwacke-Liste einerseits und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels andererseits im konkreten Fall ergeben, zu schätzen (Aufgabe von Senat NJOZ 2015, 1675 sowie Urt. v. 21.4.2015 – I-1 U 114/14, BeckRS 2016, 7155).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2019 – I – 1 U 74/18
Sachverhalt
Die Parteien streiten in der Berufung noch um den Ausgleich der Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall. Die Bekl. haften dem Kl. in voller Höhe auf Ersatz der Unfallkosten. Der Kl. nutzte einen Mietwagen der Klasse 5 für die Dauer der Reparatur seines bei dem Unfall beschädigten Kfz unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste, für die ihm das Mietwagenunternehmen inklusive Abholung, Zustellungs- und Umsatzsteuer 2.414,16 EUR in Rechnung stellte. Die Bekl. zu 2), die Kfz-Haftpflichtversicherung des Bekl. zu 1), zahlte hierauf 1.118,60 EUR. Nachdem hinsichtlich weiterer Schadensersatzforderungen Zahlungen erfolgten und insoweit die Klage teilweise zurückgenommen bzw. für erledigt erklärt worden ist, beantragt der Kl. nunmehr, die Bekl. zu verurteilen, ihn von der Forderung des Mietwagenunternehmers i.H.v. 1.295,56 EUR freizustellen. Die Bekl. vertreten die Auffassung, ihre aufgrund des Fraunhofer-Mietpreisspiegels errechnete Zahlung sei ausreichend. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [11] II. (…) Dem Kl. steht ein Anspruch auf Freistellung von weiteren Mietwagenkosten i.H.v. 551,42 EUR zu, §§ 7 I, 18 I StVG, § 115 I Nr. 1 VVG. Die darüber hinaus geltend gemachten Kosten sind nicht als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand anzusehen."
[12] 1. Der Kl. kann sich im Rahmen des von ihm geltend gemachten Freistellungsanspruchs nicht darauf berufen, dass die Bekl. als Schädiger den Streit über die Höhe der Mietkosten mit dem Mietwagenunternehmen führen müssten. Seine Auffassung, nach der der Freistellungsanspruch auch die Pflicht des Schädigers zur Abwehr unbegründeter Ansprüche beinhaltet, trifft auf den streitgegenständlichen Freistellungsanspruch des Kl. nicht zu. Der Kl. argumentiert, dass ihn das Mietwagenunternehmen darauf hätte hinweisen müssen, dass es höhere Mietwagenkosten verlange, als er als Geschädigter nach der Rechtsprechung ersetzt verlangen könne. Ihn als Geschädigten treffe anderenfalls ein unzumutbares Kostenrisiko. Der Kl. muss sich jedoch entgegenhalten lassen, dass der von ihm geltend gemachte Befreiungsanspruch nicht den Inhalt hat, der gem. § 257 BGB einem Befreiungsanspruch bei einem Ersatz von Aufwendungen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen regelmäßig zukommen dürfte und der auch den Anspruch auf Befreiung von einer einredebehafteten Verbindlichkeit enthält (vgl. MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, § 257 Rn 3). Denn der Kl. hat gegen die Bekl. keinen vertraglichen Anspruch, sondern einen deliktischen Anspruch auf Schadensersatz, der nur zu einem Befreiungsanspruch wegen berechtigterweise eingegangenen Verbindlichkeiten führt. Das für den Geschädigten nach § 249 BGB bestehende Risiko, dass er nur den für die Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGH NJW 2013, 1149 = NZV 2013, 282; NJW 2013, 1539 = NZV 2013, 233; Senat NJOZ 2015, 1675), und das ihn bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs im Hinblick auf die Höhe der geltend gemachten Forderungen trifft, kann er nicht dadurch auf den Schädiger verlagern, dass er statt eines Zahlungsanspruchs einen Anspruch auf Freistellung geltend macht. Inhalt des vom Kl. geltend gemachten Freistellungsanspruchs ist daher nur das Recht, die Freistellung von der Belastung mit einer dem Grund und der Höhe nach ersatzfähigen Verbindlichkeit zu verlangen.
[13] 2. Der Kl. kann die Erstattung von Mietwagenkosten in dem tenorierten Umfang verlangen. Diese stellen den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand i.S.v. § 249 II 1 BGB dar.
[14] a) Grds. darf der Geschädigte zum Ausgleich der unfallbedingt verlorenen Nutzungsmöglichkeit seines Wagens für die Dauer der notwendigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Der Umfang dieses Anspruchs bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH an dem Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dieser kann nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot dabei für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhält...