"… Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Tätigkeit des Zedenten nicht als versicherte Tätigkeit i.S.d. vorliegend vereinbarten AVB zu bewerten ist. Das LG hat unter Bezugnahme auf BGH VersR 2016, 388, die rechtlichen Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob eine von einem Rechtsanwalt übernommene Tätigkeit im Einzelfall eine versicherte “Tätigkeit als Rechtsanwalt' i.S.d. Risikobeschreibung in § 1 AVB-A darstellt oder nicht, zutreffend dargelegt."
Auf Grundlage dieser Maßstäbe betreffen die dem Zedenten im Haftpflichtprozess vorgeworfenen Pflichtenverstöße (…) auch nach Auffassung des Senats und unter Berücksichtigung der Einwendungen der Berufung nicht dessen “Tätigkeit als Rechtsanwalt'.
Der Begriff der “beruflichen Tätigkeit' i.S.v. § 1 I 1 der vorliegend vereinbarten AVB steht im Zusammenhang mit der Risikobeschreibung für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten (einschließlich des Rechtsanwaltsrisikos von AnwaItsnotaren […]), wonach nur die “Tätigkeit als Rechtsanwalt' versichert ist. Kein Versicherungsschutz besteht also, wenn der Mandant den Anwalt mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragt, die nicht rechtsanwaltstypisch sind. Gerade das geschieht aber häufig. Sowohl für Privatpersonen als auch für kleine und mittlere Unternehmen sind die Rechtsanwälte ihres Vertrauens nicht nur Berater in Rechtsfragen, sondern Ratgeber auch in über das rein Rechtliche hinausgehenden wirtschaftlichen Fragen. So nimmt z.B. der “Hausanwalt' eines mittelständischen Unternehmens nicht selten die Rolle eines klassischen “Consigliere' ein, der allgemeinen Rat in allen Wirtschaftsangelegenheiten gibt, was sich oft auch darin widerspiegelt, dass er in den Aufsichtsrat oder Beirat berufen wird.
Die Abgrenzung zwischen versicherten anwaltlichen Tätigkeiten und nicht versicherten sonstigen Tätigkeiten macht außerordentliche Schwierigkeiten, da das Berufsbild des Anwalts nicht definiert ist. Erschwert wird die Abgrenzung dadurch, dass die vorliegend vereinbarten Bedingungen an zwei verschiedenen Stellen zwei verschiedene Formulierungen zum Umfang der Versicherungsdeckung enthalten, wobei nicht recht klar wird, ob jeweils das Gleiche gemeint ist oder nicht (“Ausübung beruflicher Tätigkeit' in § 1 Abs. 1 S. 1 AVB-A, “gegenüber dem Auftraggeber freiberuflich ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalt' (…); zu den Musterbedingungen mit drei verschiedenen Formulierungen vgl. insoweit Diller, 2. Aufl. 2017, AVB-RSW § 1 Rn 20).
Entscheidende Bedeutung kommt daher der vereinbarten Risikobeschreibung (…) zu. Im Wesentlichen sind zwei verschiedene Abgrenzungswege denkbar:
Zum einen könnte man darauf abstellen, welches Risiko sich verwirklicht hat. Bei dieser Betrachtungsweise käme es nicht darauf an, ob der Schwerpunkt des Mandats/Auftrags rechtsberatend war oder nicht. Deckungsschutz hätte der Anwalt jeweils nur, wenn ihm der Fehler bei den spezifisch rechtlichen Elementen des Auftrags unterlaufen ist, egal ob diese gegenüber den wirtschaftlichen Elementen des Auftrags im Vordergrund stehen oder nur untergeordnet sind (Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen, § 26 Rn 288 […]).
Die andere denkbare Lösung ist die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt des Auftrags. Bei dieser Betrachtungsweise bestünde Versicherungsschutz nur dann, wenn der Schwerpunkt des Auftrags rechtsberatend ist, nicht jedoch bei einem in erster Linie wirtschaftlichen Auftrag, bei dem Rechtsfragen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Bei dieser Abgrenzung wäre, wenn der Schwerpunkt in einer rechtsberatenden Tätigkeit bestand, jegliche Fehlleistung im Rahmen des Auftrags versichert, egal ob die Fehlleistung die rechtsberatenden Elemente des Auftrags betrifft oder nicht, während dann, wenn der Schwerpunkt nicht im rechtlichen Bereich liegt, für den gesamten Auftrag grds. kein Versicherungsschutz bestünde, auch wenn der Schaden bei den (untergeordneten) rechtlichen Aspekten des Auftrags passiert ist (so wohl Mennemeyer Rn 2271; Saenger/Scheuch, AnwBl. 2012, 497 […]).
Nach der Systematik der vorliegend vereinbarten Bedingungen wie auch der Musterbedingungen BBR-RA erscheint es richtiger, am Schwerpunkt des Auftrags anzusetzen als bei den spezifischen Risiken, die sich verwirklicht haben (…). Für diese Abgrenzung spricht zum einen, dass die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts keineswegs nur bei spezifisch berufsrechtlichen Risiken greift. In der Praxis entfällt ein großer (wenn nicht der größte) Teil der anwaltlichen Haftungsfälle auf schlichte Büro- und Organisationsfehler, die genauso im Betrieb eines Wirtschaftsprüfers, Unternehmensberaters oder Ingenieurs entstehen könnten (falsch notierte Frist, falsch eingegebene Faxnummer, falsch herum eingelegtes Fax, liegengelassene Aktentasche, Verspätung zu einem Termin etc.). Die spezifische Tätigkeit eines Anwalts ist auch nicht deutlich schadensgeneigter als die anderer vergleichbarer Berufe. Deshalb ist der Grund dafür, dass Anwälte kraft Gesetzes eine Berufshaftpflicht...