1) Bei Unfällen mit einem Fahrschulwagen, an dessen Steuer ein Fahrschüler saß, kommen als Haftende neben dem Halter und dessen Haftpflichtversicherung i.d.R. der Fahrlehrer in Betracht. Grds. ist der Fahrschüler während der Übungs- und Prüfungsfahrten nicht Führer des Kfz, damit nicht selbst verantwortlich und haftbar (vgl. OLG Koblenz NZV 2004, 401; OLG Bamberg NJW 2009, 2393). Vielmehr ist allein der den Fahrschüler betreuende Fahrlehrer (ggf. haftender) Führer des Kfz. Das folgt aus § 2 Abs. 15 S. 1 StVG, wonach ein Fahrschüler, der zur Ausbildung oder Ablegung der Prüfung ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegt, von einem Fahrlehrer i.S.d. Fahrlehrergesetzes begleitet werden muss, der ggf. durch Doppelpedal eingreifen kann (vgl. BGH NJW 1969, 2197; vgl. auch Halm/Hörle in Himmelreich/Staab/Halm, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 3. Aufl., Kapitel 4 Rn 91; vgl. auch Schwaab in Halm/Kreuter/Schwaab, AKB, 2. Aufl., § 1 PflVG Rn 64–66).
Eine bedeutsame Ausnahme ist in der Rechtsprechung für die Konstellation entwickelt worden, dass sich der Fahrschüler bereits in einem fortgeschrittenen Ausbildungsstand befunden hat und sich für den Fahrlehrer in der konkreten Situation keine Veranlassung zum Eingreifen ergeben hat (vgl. BGH DAR 2015, 97 auf Vorlage des OLG Karlsruhe DAR 2014, 211). Diese für den Geschädigten schwer zu beweisende Konstellation (Befragung über den Ausbildungsstand des Fahrschülers ist anzuraten!) begründet eine Haftung des Fahrschülers nach § 823 BGB (OLG Koblenz a.a.O.; Halm/Hörle a.a.O.).
Fehlt dem Fahrschüler noch am Anfang seiner Ausbildung das erforderliche Können, haftet er nicht; je länger seine Ausbildung gedauert hat, desto größer ist die Möglichkeit seiner deliktischen Haftung (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1966, 37; Halm/Hörle a.a.O. Rn 96). Wird ein Fahrlehrer bei einer Ausbildungsfahrt eines bereits zur Prüfung angemeldeten Fahrschülers verletzt, kann das die Annahme eines alleinigen Verschuldens des Fahrschülers rechtfertigen. Das OLG Stuttgart hat hierzu folgende Leitsätze veröffentlicht.
Zitat
"1. Setzt ein bereits zur Prüfung angemeldeter Fahrschüler die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs vor der Kreuzung mit einer Vorfahrtstraße, auf der sich ein von ihm wahrgenommener Bus nähert, zunächst deutlich herab, fährt er aber dann doch unter plötzlicher Beschleunigung so auf die bevorrechtigte Straße, dass auch eine unmittelbar eingeleitete Vollbremsung die Kollision nicht mehr verhindern kann, so trifft allein ihn und nicht den neben ihm sitzenden Fahrlehrer die Schuld an dem Unfall."
2. Für den dem Fahrlehrer entstandenen Personenschaden samt der Folgeschäden hat in einem solchen Fall seine eigene Haftpflichtversicherung einzustehen.“
Im Rahmen der Prüfung der Haftungsvoraussetzungen ist auch die Frage des Mitverschuldens zu prüfen, wobei wegen des fortgeschrittenen Ausbildungsstandes des Fahrschülers keine hohen Anforderungen an die Eingriffsbereitschaft des Fahrlehrers zu stellen sind. Haftpflichtversicherungsrechtlich ohne Bedeutung ist es, dass der Fahrschüler nach wie vor nicht Führer des versicherten Kfz gewesen ist. Die Fiktion des § 2 Abs. XV S. 2 StVG führt dazu, dass der Fahrschüler haftungsrechtlich als Führer des Kfz gilt.
2) Die gesteigerte Sorgfaltspflicht der dem Fahrschulwagen hinterherfahrenden Verkehrsteilnehmer erfordert u.a. einen deutlich gesteigerten Sicherheitsabstand. Mit Fehlverhalten des Fahrschülers ist zu rechnen, sodass der ansonsten geltende Abstand von 1,5 sec durchfahrener Strecke deutlich erhöht werden muss (vgl. KG NZV 93, 97; OLG Köln VRS 67, 286; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 5 Rn 5–8).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 9/2019, S. 493 - 494