1) Ob im Rahmen der Schadensabrechnung in den Diesel-Manipulationsfällen der getäuschte Käufer gegenüber dem Hersteller Deliktszinsen ggf. modifiziert – entsprechend der Entscheidung des OLG Oldenburg – verlangen kann, ist eine zentrale Streitfrage. Ist der Käufer hierzu berechtigt, erscheint die bis zum Verlust seines Schadensersatzanspruchs bestehende Gefahr des Abzuges der Nutzungsvorteile wegen der zurückgelegten Fahrleistungen weniger drückend, da die Deliktszinsen zur Verrechnung bereitstehen.
2) § 849 BGB gewährt dem Geschädigten einen pauschalierten deliktischen Schadensersatzanspruch wegen Entziehung oder Beschädigung einer Sache, einen Verzinsungsanspruch. Die Zinspflicht beginnt mit dem Schadensereignis (BGH NJW 1965, 392) und pauschaliert den Zinsschaden, um dem Geschädigten den Nachweis zu ersparen, welchen Schaden er durch die Einbuße an Nutzbarkeit erlitten hat (BGH VersR 1962, 348; BGHZ 87, 38 41; vgl. auch Klönne ZIP 2020, 341). Die freiwillige Weggabe von Buchgeld durch den getäuschten Käufer wird als Tathandlung des § 849 BGB verstanden (BGH ZIP 2008, 417), sodass der Weg für die Anwendung des § 849 BGB offen erscheint. Mit der Übereignung von Bargeld oder von Buchgeld hat der Käufer die Nutzbarkeit des Geldes wenigstens zeitweise verloren. Hier setzt die wohl überwiegende Meinung an, die zu bedenken gibt, dass der Käufer als Gegenleistung von dem Händler die abstrakte Nutzbarkeit des Kfz erhalten hat, die in die konkrete Nutzung umschlagen kann. Darin liege eine vollständige Kompensation der Zahlung des Kaufpreises (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Karlsruhe Urt. v. 6.11.2019 – 13 U 37/19; OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2019 – 13 U 1497/18; OLG Koblenz, Urt. v. 28.8.2019 – 5 U 1218/18; OLG Oldenburg, Urt. v. 21.10.2019 – 13 U 73/19).
Wegen der Kompensation fehle ein endgültig verbleibender Verlust der Nutzbarkeit (vgl. auch BGH MDR 1962, 464; LG Saarbrücken, 12 O 100/19 Rn 39). Ob die abstrakte Nutzungsmöglichkeit einen kompensationsfähigen Wert hat, ist zweifelhaft (vgl. Klönne a.a.O). Nicht widerlegen lässt sich das Argument des OLG Oldenburg, dass der doppelte Abzug der Verzinsung des Kaufpreises und der schließlich erfolgende Abzug der Nutzungsvorteile von dem Schadensersatzbetrag sinnwidrig ist. Da die tatsächliche Nutzung des kontaminierten Kfz allein entscheidungserheblich sein kann, sollte die bedeutungslose Kunstfigur der abstrakten Nutzungsmöglichkeit aufgegeben werden und die Verpflichtung des Herstellers zur Erstattung der Deliktszinsen angenommen werden (vgl. auch OLG Koblenz, WM 2019, 1929; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19; OLG Köln, Urt. v. 17.7.2019 – 16 U 199/18).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 9/2020, S. 497 - 498