1. Nach der Auffassung des Gesetzgebers sei durch die Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren derzeit kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten. Daher solle es dem Gericht künftig ermöglicht werden, ohne Durchführung einer Hauptverhandlung zu entscheiden. Wenn das Gericht im schriftlichen Beschlusswege vorzugehen gedenkt, was es dem Betroffenen mitteilt, muss der Betroffene erst eine Hauptverhandlung beantragen. Für diesen Fall müsste er aber ausnahmslos zum Termin auch erscheinen.
  2. Auch die Regelungen über Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung werden grundlegend reformiert. Zwar soll ein Entbindungsantrag möglich sein, jedoch zeitlich befristet (binnen drei Wochen nach Zugang der Ladung des Betroffenen zur Hauptverhandlung).
  3. Über die bisherigen Regelungen hinaus wird die vereinfachte Art der Beweisaufnahme erweitert. Ins Gesetz wurde die ständige oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu standardisierten Messverfahren eingearbeitet. So besteht hier nach § 77a Abs. 5 OWiG-E im Regelfall keine Pflicht der Gerichte zur Erforschung der Wahrheit.
  4. Ferner wird der Richter entlastet durch das Absehen von Urteilsgründen bzw. der Abkürzung der Urteilsgründe bzw. das Absehen von Begründungen von Beschlüssen bei § 72 OWiG.
  5. Die Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen werden deutlich verengt. Die Rechtsbeschwerde gem. § 79 OWiG-E ist künftig nur ab Geldbußen von 500 EUR ohne Zulassung statthaft. Ferner ist fortan nur noch die Zulassungsrechtsbeschwerde statthaft bei einem Fahrverbot von einem Monat. Erst ab einer Anordnung von zwei Monaten Fahrverbot ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Zusätzlich wurden Wertgrenzen bei der Zulassungsrechtsbeschwerde gem. § 80 OWiG-E eingeführt bzw. erhöht.
  6. Als Ausgleich für die Verengung der Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen soll in § 80a OWiG-E eine neue Anhörungsrüge eingefügt werden.
  7. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz in der jetzigen Fassung, auch im Hinblick auf die näher rückenden Bundestagswahlen, wirklich beschlossen werden wird. Die Bundesregierung hat inzwischen die vorgeschlagenen, teils erheblichen Änderungen der Verfahrensvorschriften in einer beeindruckenden Stellungnahme abgelehnt, BT-Drs. 19/21611 v. 12.8.2020. In vielerlei Hinsicht erscheinen die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen dieses Entwurfs eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens nicht gewahrt. Aus Betroffenen- und Rechtsanwaltssicht kann man nur hoffen, dass der Entwurf nicht in Kraft tritt oder wenigstens in entscheidenden Passagen noch abgeändert wird.

Autor: Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Koblenz

zfs 9/2020, S. 484 - 489

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