BGB § 249; ZPO § 287 Abs. 1
Leitsatz
Zum Erstattungsanspruch des Geschädigten eines Verkehrsunfalls hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den eigenen Unfallversicherer (hier: Beauftragung durch den Betreuer).
BGH, Urt. v. 26.5.2020 – VI ZR 321/19
Sachverhalt
Der Kl. hatte durch einen Verkehrsunfall schwere Verletzungen erlitten und lag mehrere Wochen im Koma. Aus diesem Grunde wurde die Ehefrau des Kl. zu dessen Betreuerin bestellt. Sie beauftragte in dieser Funktion eine Rechtsanwaltskanzlei damit, Ansprüche des Kl. aufgrund des Unfalls gegen seine eigene Unfallversicherung geltend zu machen. Hierfür stellten die Anwälte dem Kl. eine Vergütung i.H.v. 1.954,46 EUR in Rechnung. Der Kl. hat daraufhin von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vor dem AG Gummersbach u.a. anteiligen Ersatz dieser Anwaltskosten in Höhe der unstreitigen Haftungsquote der Bekl. von 80 % geltend gemacht. Das AG hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb beim LG Köln ohne Erfolg. Der BGH hat die zugelassene Revision des Kl. zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[7] … Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des BG, der dem Kl. gegen die Bekl. zustehende Schadensersatzanspruch umfasse nicht die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Anmeldung der klägerischen Ansprüche bei seinem Unfallversicherer.
[8] 1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. V. 29.10.2019 – VI ZR 104/19, zfs 2020, 164 Rn 10 m. Anm. Hansens = RVGreport 2020, 64 (Hansens) = AGS 2010, 148 und v. 11.7.2017 – VI ZR 90/17, RVGreport 2018, 102 (Ders.) = AGS 2017, 541, jeweils m.w.N.).
[9] 2. Derartige Rechtsfehler sind vorliegend nicht gegeben. Das BG hat insb. nicht gegen Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verstoßen.
[10] a) Das BG legt seinen Erwägungen die gefestigte Senatsrechtsprechung zugrunde, wonach zu den nach § 249 Abs. 1 BGB ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten grds. die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen und adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zählen (vgl. nur Senatsurt. V. 29.10.2019 – VI ZR 45/19, zfs 2020, 164 Rn 21; v. 11.7.2017 – VI ZR 90/17, RVGreport 2018, 101 (Ders.) = AGS 2017,541 v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn 5; jeweils m.w.N.). Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Die für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer anfallenden Rechtsverfolgungskosten können daher ersatzfähig sein, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. Senatsurt. V. 9.4.2019 – VI ZR 89/18, VersR 2019, 953 Rn 26 = NJW-RR 2019, 1187 betr. eine Urheberrechtsverletzung; BGH v. 11.7.2017 – VI ZR 90/17, RVGreport 2018, 101 (Ders.) = AGS 2017, 541: Rechtsanwaltskosten für Kontaktaufnahme mit eigenem Kaskoversicherer bei Quotenvorrecht; BGH v. 8.5.2012 – VI ZR 196/11, RVGreport 2012, 305 (Ders.) = AGS 2012, 595: eigener Kaskoversicherer; BGH v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, zfs 2006, 448 = AGS 2006, 256: eigener Unfallversicherer; BGH v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558: Eigene Gebäudeversicherung). Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der konkreten Rechtsverfolgung stellen echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen dar und nicht lediglich im Rahmen des § 254 BGB bedeutsame, die Ersatzpflicht beschränkende und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende Umstände (vgl. nur Senatsurt. V. 9.4.2019 – VI ZR 89/18, VersR 2019, 953 Rn 26 m.w.N.).
[11] b) Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Geltendmachung der klägerischen Ansprüche gegen seinen Unfallversicherer stellt das BG zu Recht auf die Person der Betreuerin des Kl. ab. Dieser Ansatz folgt aus dem oben dargestellten Grundsatz, dass bei der Schadensbemessung die spezielle Situation des Geschädigten zu berücksichtigen ist (sogenannte “subjektbezogene Schadensbetrachtung'). Die Situation des Kl. hinsichtlich seiner Möglichkeiten zur Durchführung der Schadensabwicklung wird vorliegend dadurch geprägt, dass er zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund seines Gesundheitszustandes zwar selbst nicht zur Schadensanmeldung in der Lage, ihm aber ein gesetzlicher Vertreter zur Seite gestellt war, um ihm die Wahrnehmung seiner Rechte zu ermöglichen.
[12] Nach dem vom Kl. vorgelegten Beschl. d. Betreuungsgerichts v. 1.7.2016 umfasste der Aufgabenkreis der Betreuerin unte...