VVG aF § 5a Abs. 1 S. 1, S. 4 a.F.; VAG a.F. § 10a Abs. 1 Anl. D Abschnitt 1 Nr. 1e
Leitsatz
Die Widerspruchsbelehrung einer nach dem Policenmodell abgeschlossenen Lebens- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung muss den Prämienanteil der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht gesondert ausweisen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 24.6.2020 – IV ZR 275/19
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von dem beklagten VR Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dieser wurde mit Versicherungsbeginn zum 1.6.2002 und einer Laufzeit von zwölf Jahren nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen. Zum Versicherungsende im Jahr 2014 kehrte die Bekl. eine Ablaufleistung i.H.v. 17.530,33 EUR aus. Mit Schreiben vom 22.10.2015 erklärte der Kl. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
Mit der Klage verlangt er Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich Risikokosten sowie ausgekehrter Ablaufleistung und zzgl. gezogener Nutzungen, insg. 60.140,75 EUR.
Nach Auffassung des BG hat der Kl. dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags nicht binnen der Frist von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F.). Der mit Schreiben v. 22.10.2015 erklärte Widerspruch sei verfristet gewesen.
Er sei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Auch griffen die vom Kl. mit der Berufung noch erhobenen Rügen, es hätten Angaben in der ihm überlassenen Verbraucherinformation gefehlt, die nach der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erforderlich gewesen seien, nicht durch. Die erteilte Verbraucherinformation sei insb. nicht deswegen unvollständig, weil die Prämien für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht gesondert ausgewiesen worden seien. Dagegen stehe der klare Wortlaut der Regelung, die einen Einzelausweis nur fordere, wenn mehrere selbstständige Versicherungsverträge vorlägen, was bei einer Zusatzversicherung nicht der Fall sei. Eine Pflicht zur gesonderten Ausweisung ergebe sich auch nicht mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben in der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie (92/96/EWG).
2 Aus den Gründen:
"… Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand."
Das BG hat dem Kl. die geltend gemachten Bereicherungsansprüche zu Recht versagt, weil er im Jahre 2015 den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. nicht fristgerecht erklärt hat. Unstreitig wurden ihm mit Aushändigung des Versicherungsscheins, die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformationen überlassen. Er wurde auch über sein Widerspruchsrecht, wie das BG rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen festgestellt hat, inhaltlich wie formell ordnungsgemäß belehrt. Die damit in Gang gesetzte Widerspruchsfrist von 14 Tagen hat er nicht gewahrt.
1. Der Beginn der in § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. bestimmten vierzehntätigen Widerspruchsfrist gem. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. setzt zwar unter anderem voraus, dass dem VN die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegt. Die Revision rügt aber ohne Erfolg, dass das BG die dem Kl. erteilte Verbraucherinformation nicht etwa deshalb als unvollständig angesehen hat, weil im Versicherungsschein nur eine Gesamtprämie für die Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ausgewiesen wurde, ohne den auf die Zusatzversicherung entfallenden Teilbetrag zu benennen. Einen Einzelausweis der Prämien forderte Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D zum VAG a.F. lediglich dann, wenn das “Versicherungsverhältnis mehrere selbstständige Versicherungsverträge umfassen soll'. Eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erfüllt diese Voraussetzung nicht.
a) Dass nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. der Anl. Teil D keine Verpflichtung zum gesonderten Prämienausweis bestand, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Regelung. Diese knüpft an die Vertragspraxis der VR an, die häufig in einem einheitlichen Vertrag Versicherungsschutz gegen unterschiedliche Risiken gewähren und erst in den 1970er Jahren dazu übergegangen waren, eine ausdrücklich als “selbstständig' bezeichnete Versicherung gegen Berufsunfähigkeit anzubieten (vgl. VerBAV 1974, 345). Zuvor hatte nur die Möglichkeit bestanden, derartigen Versicherungsschutz gemeinsam mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu erlangen (vgl. VerBAV a.a.O.).
Seither wird zwischen einer selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung einerseits und einer (unselbstständigen) Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung andererseits unterschieden (vgl. hierzu Senat, VersR 2010, 375; NJW-RR 2001, 1242 unter II 2 b; VersR 1991, 289 unter III; VersR 1988, 1233 unter 3 …). Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung...