OWiG § 80 Abs. 3 S. 3, OWiG § 84 Abs. 1, StPO § 345 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Unterschreibt und begründet ein Betr., der zugelassener Rechtsanwalt ist, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, so erfüllt er die Formerfordernisse nach §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG, 345 Abs. 2 StPO.
2. Die vorschriftwidrige Nichtanmeldung eines Fahrzeuges zur Hauptuntersuchung nach § 29 Abs. 1 S. 1 StVZO i.V.m. Nr. 2.1 der Anlage VIII ist eine Dauerordnungswidrigkeit.
3. Diese Dauerordnungswidrigkeit ist jedenfalls mit der Ahndung der Tat durch ein tatrichterliches Urt. oder durch einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid beendet.
4. Die Zäsurwirkung tritt durch die Entscheidung ein, die letztmalig die Schuldfeststellung getroffen hat.
5. Unterlässt der Betr. auch nach einer solchen Entscheidung die vorgeschriebene Handlung, so beginnt eine neue Tat, die wiederum – selbstständig – geahndet werden kann.
KG, Beschl. v. 12.3.2020 – 122 Ss 11/20
Sachverhalt
Die Bußgeldbehörde der Stadt D hat gegen den Betr. mit Bescheid vom 19.3.2019 wegen unterlassener Vorführung seines Kfz zur fälligen Hauptuntersuchung, wobei der Termin um mehr als acht Monate überschritten war (Feststellungsdatum: 13.11.2018), ein Bußgeld von 60 EUR festgesetzt. Dieser Bußgeldbescheid ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden. Der Polizeipräsident von B hat gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid vom 3.4.2019 wegen desselben Vorwurfes (Feststellungsdatum: 16.1.2019) eine Geldbuße von 160 EUR festgesetzt. Zu dem Hauptverhandlungstermin ist der Betr., der zugelassener Rechtsanwalt ist und nicht von seiner Präsenzpflicht entbunden war, trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen.
Gegen das Verwerfungsurteil hat er einen von ihm selbst unterzeichneten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt, diesen mit Hinweis auf eine unzulässige Doppelahndung begründet, weil derselbe Vorwurf Gegenstand des der Antragsschrift beigefügten Bußgeldbescheides der Stadt D vom 18.1.2019 gewesen sei.
Das AG hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil die Beschwerdeanträge nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet worden seien. Der Betr. hat einen Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gestellt.
Das KG hat den Beschluss des AG aufgehoben, sodann den Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen.
2 Aus den Gründen:
"… II."
1. Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zulässig, insbesondere rechtzeitig und begründet. Der Beschluss des AG vom 27.12.2019 war aufzuheben.
Der Betr. hat – entgegen der Auffassung des AG – rechtzeitig den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und begründet. Denn das in Abwesenheit des Betr. ergangene Urt. v. 6.11.2019 ist ihm ausweislich der Zustellungsurkunde am 14.11.2019 zugestellt worden. Der Betr. hat mit bei Gericht am 20.11.2019 eingegangenem Schreiben die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Der Umstand, dass er den Antrag selbst begründet und unterschrieben hat, steht den Formerfordernissen nach §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG, 345 Abs. 2 StPO nicht entgegen, weil es sich bei dem Betr. um einen zugelassenen Rechtsanwalt handelt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 345 Rn 13).
2. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war zu verwerfen. Die Prüfung deckt keinen die Zulassung der Rechtsbeschwerde gebietenden Rechtsfehler auf.
Die vom Betr. allgemein erhobene Sachrüge, mit der er sich gegen das Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, also ein Prozessurteil, wendet, führt lediglich zur Prüfung des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen und des Vorliegens von Verfahrenshindernissen (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 74 Rn 48b m.w.N.) von Amts wegen.
Das vom Betr. behauptete Verfahrenshindernis der Doppelahndung nach § 84 Abs. 1 OWiG besteht nicht. Selbst wenn es bestanden hätte, wäre es auch nach § 80 Abs. 5 OWiG für das Rechtsbeschwerdegericht unbeachtlich gewesen. Denn nach § 80 Abs. 5 OWiG findet ein Verfahrenshindernis nur dann Berücksichtigung, wenn es nach Erlass des Urt. eingetreten ist. Dies wäre vorliegend, wie der Verteidiger selbst ausführt, nicht der Fall. Auch besteht im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Verfahrenshindernis keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die es gebietet, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Dem Betr. ist zwar zuzugeben, dass beide Bußgeldbescheide denselben Vorwurf der vorschriftswidrigen Nichtanmeldung seines Fahrzeuges zur Hauptuntersuchung nach § 29 Abs. 1 S. 1 StVZO i.V.m. Nr. 2.1 der Anlage VIII, § 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO betrafen, dies jedoch nur solange die Verfahren der Bußgeldbehörden in D. und B. gleichzeitig anhängig waren. Dieses Unterlassen der Vorführung seit mehr als acht Monaten stellt eine Dauerordnungswidrigkeit dar (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.10.2012 – 3 SsRs 518/12), die jedenfalls mit der Ahndung der Tat durch ein tatrichterliches Urt. oder durch einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid endet. Die Zäsurwirkung tritt durch diejenige Entscheidung ein, die letztmalig die Schuldfeststellung getroffen hat (OLG Dresden, Be...