StVG § 7 Abs. 1 StVG § 9, BGB § 254 Abs. 1
Leitsatz
Ein Fahrzeug, das vom Transportband einer Autowaschanlage gezogen wird, befindet sich nicht "im Betrieb" i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG. Das gilt auch dann, wenn der Fahrer in der Sorge, auf ein vor ihm befindliches Fahrzeug gezogen zu werden, bremst, so dass das Fahrzeug von der Mitnahme des Transportbands rutscht und deshalb durch Betriebseinrichtungen der Waschstraße beschädigt wird. Fährt der vor dem beschädigten Fahrzeug gewaschene Pkw verzögert aus der Waschstraße aus, und hat dies den Bremsvorgang des Fahrers des nachfolgenden Pkw ausgelöst, trifft dessen Halter und Fahrer ein nicht unerhebliches Mitverschulden i.S.v. § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB.
OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.1.2021 – 1 U 63/19
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Kraftfahrzeuges in einer automatisierten Waschstraße in Anspruch.
Der Kläger nutzte am 22.12.2016 mit einem Pkw die von der Fa … betriebene Autowaschanlage. Vor ihm in der Waschstraße befand sich der Beklagte zu 2. mit dem bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversicherten Pkw. Nachdem der Waschvorgang abgeschlossen war, fuhr der Beklagte zu 2. – obwohl die an ihn gerichtete Lichtzeichenanlage bereits auf "grün" gesprungen war – nicht direkt aus der Waschstraße aus, da das von ihm geführte Fahrzeug beim ersten Startversuch nicht direkt ansprang. Erst ein zweiter Startversuch gelang nach einiger Zeit. Das Klägerfahrzeug wurde zwischenzeitlich vom Schleppband der Waschstraße weiter in Richtung des Beklagtenfahrzeuges gezogen. Aus Sorge, dass es zu einer Kollision kommt, bremste der Kläger seinen Pkw ab. Der rutschte vom Transportband und wurde durch die Betriebseinrichtungen der Waschstraße beschädigt. Zu einer Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten kam es nicht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Schaden durch ein objektiv nicht erforderliches Bremsmanöver allein verursacht zu haben. Das OLG hat das Urteil nach ergänzender Beweisaufnahme abgeändert und der Klage zum Teil stattgegeben.
2 Aus den Gründen:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kläger ist insgesamt prozessführungsbefugt. Hinsichtlich der gemäß § 86 Abs. Satz 1 VVG im Laufe des Rechtsstreits auf die Kaskoversicherung des Klägers übergegangene Ansprüche folgt dies bereits aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Geschädigte hat seinen Klageantrag, soweit die cessio legis reicht, auf Leistung an den Versicherer umgestellt.
Der Berufung kommt ein Teilerfolg zu. Auf der Grundlage der im Verfahren getroffenen Feststellungen haben die Beklagten den dem Kläger, dessen Eigentum am Fahrzeug bereits aufgrund der Regelung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu vermuten ist, ohne dass diese Vermutung von den Beklagten widerlegt worden wäre, aus dem streitgegenständlichen Geschehen entstandenen Schaden mit einer Quote von 30 % zu ersetzen …
1. Die Beklagten haften nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Grunde nach auf Schadensersatz. Die Haftungsgemeinschaft ist nicht nur zwischen Versicherung und Halter, sondern auch zwischen Versicherung und Fahrer eine gesamtschuldnerische (OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.11.2001, Az. 4 U 2450/01).
a) Das Beklagtenfahrzeug befand sich zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses "im Betrieb" i.S.v. § 7 StVG. Diese Voraussetzung ist nach herkömmlicher Rechtsprechung aufgrund des Schutzzwecks der Norm weit zu fassen. Die Haftung nach § 7 StVG ist gleichsam der Preis für die Zulassung der mit dem Kraftfahrzeug verbundenen besonderen Gefahren und umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist.
Zwar entspricht es obergerichtlicher Rechtsprechung, dass sich ein Pkw, der mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband einer automatischen Waschstraße transportiert wird, nicht in Betrieb befindet. Denn in dieser Situation betreibt der Fahrer nicht das Fahrzeug und es wirken auch keine Betriebseinrichtungen des Fahrzeugs; dieses ist vielmehr mit einem beliebigen Gegenstand vergleichbar, der automatisch transportiert wird (OLG Koblenz, Beschl. v. 5.8.2019, Az. 12 U 57/19; KG, Urt. v. 28.3.1977, Az. 12 U 2468/75; jeweils Juris). Der Streitfall ist mit dieser Situation indes nicht vergleichbar. Denn der Waschvorgang des Beklagtenfahrzeugs war bereits vollständig beendet, das Fahrzeug befand sich am Ende des Schleppbandes und der Beklagte zu 2. startete den Pkw, um mit Motorkraft in den Verkehrsraum einzufahren. Gefahren gingen von nun an nicht mehr von der Waschanlage oder vom automatisierten Transportvorgang, sondern nur noch vom Fahrer und dem Fahrzeug aus (vgl. auch LG Kleve, Urt. v. 23.12.2016, Az. 5 S 146/15, Juris; Beck-OGK/Walter, Straßenverkehrsrecht, Stand 2020, § 7 StVG, Rn 89).
b) Die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug wurden durch den Betrieb des Beklagtenfahrzeug...