I. Norminhalt
Danach haftet der Halter auf Ersatz des kausalen Schadens, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird.
Das objektive Tatbestandsmerkmal, das die Haftung begründet, ist "bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs". Es besteht aus den beiden Elementen der Präposition "bei" als kausale Verknüpfung zwischen Betrieb und Rechtsgutverletzung sowie dem "Betrieb des Kraftfahrzeugs" als Umschreibung der Gefahrenquelle, die die Gefährdungshaftung eröffnet und die Gegenstand dieses Beitrags ist.
Bereits das Reichsgericht hat, wenn auch noch in Verfolgung der sog. maschinentechnischen Auffassung, eine Haftung aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs bejaht, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stand, ohne dass es darauf ankam, dass sich gerade die maschinelle Arbeitsweise des Motors ursächlich ausgewirkt hatte.
Durchgesetzt hat sich unter der Ägide des BGH die sog. bis heute herrschende "verkehrstechnische Auffassung". Schon in den 1950er Jahren hat der BGH betont, Zweck des § 7 StVG sei es, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs umfassend zu schützen. Dem folgend wurden die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen wurden, nicht mehr als nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug ausgehend qualifiziert, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr auf die gesamte Abwicklung des Verkehrs erweitert.
II. Das Tatbestandsmerkmal "Betrieb"
Das Tatbestandsmerkmal "Betrieb" ist somit auf der Basis der seit jeher gefestigten Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen:
Erfasst sind alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. D. h., es müssen sich in der Rechtsgutverletzung die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Also muss bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden sein. Das ist der Fall bei Auswirkung derjenigen Gefahren, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss also in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Das wiederum ist der Fall, wenn die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.
Erstes Fazit:
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Die Haftung ist eröffnet, wenn sich bei wertender Betrachtung in der eingetretenen Rechtsgutverletzung ein der Gefahrenquelle "Kraftfahrzeug" spezifisch anhaftendes Risiko realisiert hat,
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also ist haftungsauslösend die abstrakte Betriebsgefahr, die das Kraftfahrzeug schlechthin für andere Verkehrsteilnehmer mit sich bringt, |
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unabhängig von verkehrswidrigem Verhalten des Fahrzeugführers und auch unabhängig davon, ob es zu einer Kollision gekommen ist. |
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Der Betrieb und damit die Haftung dauern fort, solange das Fahrzeug im Verkehr belassen wird und die dadurch geschaffene abstrakte Gefahrenlage fortbesteht. |
III. Praxisrelevante Fallgruppen
Das Tatbestandsmerkmal "Betrieb" wird geprägt durch praxisrelevante Fallgruppen. Dies erklärt sich daraus, dass das Merkmal nicht mehr maschinentechnisch verstanden wird. Als sogenanntes normatives Merkmal erfolgt die Subsumtion darunter nach Sinn und Zweck der spezifischen Gefährdungshaftung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Materie und ihrer Entstehungsgeschichte. Es gilt bereits vom Ansatz her ein weites Verständnis, das Raum für wertende Betrachtung lässt, was wiederum das Entstehen von "Fallgruppen" zur Ausfüllung/Präzisierung erklärt.
1. Unfall ohne Fahrzeugberührung
Die vom BGH geprägten Grundsätze zur Haftung beim berührungslosen Unfall lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:
Die Haftung wird nicht allein durch die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle ausgelöst, sondern nur dann, wenn über die bloße Anwesenheit hinaus das Kraftfahrzeug verkehrsbeeinflussend das Unfallgeschehen mitgeprägt hat, also z.B. das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver...