Das Tatbestandsmerkmal "Betrieb" wird geprägt durch praxisrelevante Fallgruppen. Dies erklärt sich daraus, dass das Merkmal nicht mehr maschinentechnisch verstanden wird. Als sogenanntes normatives Merkmal erfolgt die Subsumtion darunter nach Sinn und Zweck der spezifischen Gefährdungshaftung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Materie und ihrer Entstehungsgeschichte. Es gilt bereits vom Ansatz her ein weites Verständnis, das Raum für wertende Betrachtung lässt, was wiederum das Entstehen von "Fallgruppen" zur Ausfüllung/Präzisierung erklärt.
1. Unfall ohne Fahrzeugberührung
Die vom BGH geprägten Grundsätze zur Haftung beim berührungslosen Unfall lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:
Die Haftung wird nicht allein durch die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle ausgelöst, sondern nur dann, wenn über die bloße Anwesenheit hinaus das Kraftfahrzeug verkehrsbeeinflussend das Unfallgeschehen mitgeprägt hat, also z.B. das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat.
Bestätigt und vertieft hat der BGH diese Grundsätze zur Haftung beim berührungslosen Unfall anhand folgender Konstellation:
In Kolonnenfahrt befanden sich an der Spitze ein Pkw gefolgt von zwei Motorrädern. Die Beklagte, die sich mit ihrem Motorrad direkt hinter dem Pkw befand, scherte zum Überholen desselben auf die linke Fahrbahnhälfte aus. Auch der hinter ihr befindliche Kläger scherte mit seinem Motorrad aus, um nun in zweiter Reihe Motorrad und Pkw zu überholen. Dabei geriet er auf das linke Bankett und stürzte.
Der BGH hat es als irrelevant angesehen, dass der Sturz ohne das Überholmanöver der Beklagten und damit bei einer anderen Fahrlinie des Klägers ausgeblieben wäre. Er hat konsequent darauf abgestellt, ob das Fahrverhalten der Beklagten in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Klägers beeinflusst hat. Maßgeblich ist insofern allein, ob bzw. dass das Fahrverhalten der Beklagten zu einer kritischen Verkehrslage geführt hatte. Hierzu fehlten Feststellungen der Vorinstanzen. Der BGH hat sich daher auf den Hinweis beschränkt, dass ein gleichzeitiges Ausscheren zum Überholen des Pkw der Beklagten nicht angelastet werden kann; denn es stelle keine typische Gefahr eines Überholvorgangs dar, dass der rückwärtige Verkehr diesen seinerseits zum Überholen in zweiter Reihe nutzt und dabei, ohne dass eine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung des überholenden dazu Anlass gegeben hätte, in Schlingern gerät. Demzufolge wird es zu keiner Haftung der Beklagten kommen, wenn sie weder das Überholen des Klägers in zweiter Reihe herausgefordert noch ihn durch ihre Fahrweise aufs Bankett verwiesen hat.
Fazit:
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Wird der Unfall unmittelbar durch ein Verhalten des Verletzten oder eines Dritten ausgelöst, |
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ist erforderlich, aber auch ausreichend, |
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dass dieses primär unfallverursachende Verhalten in zurechenbarer Weise durch das weitere Kraftfahrzeug mitverursacht wird. |
Einen "Klassiker" hierzu hatte das OLG Hamm zu entscheiden:
Im Begegnungsverkehr näherten sich zwei Traktoren mit Anhänger; beide ca. 3 m breit und 30 bzw. 35-40 km/h schnell. Als die Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Zeuge E sein Gespann auf den rechtsseitig gelegenen Grünstreifen. Dabei geriet er mit den rechten Reifen des Traktors in eine mit Gras bewachsene Bodenmulde. Infolgedessen kippte das Gespann auf die Seite.
Wer ausweicht, verliert?
Dem ist das OLG Hamm nicht gefolgt und hat auf eine Quote 50:50 erkannt – obwohl es nicht zur Berührung im Begegnungsverkehr gekommen war, aber weil der Unfall mittelbar durch den anderen Traktorfahrer verursacht worden war, indem er durch seine Fahrweise das Ausweichmanöver "herausgefordert" hatte. Nicht deshalb, sondern mit Blick auf die herausgeforderte Ausweichreaktion als solche verdient die eher banal anmutenden Entscheidung Erwähnung:
Ohne Auswirkung auf das Tatbestandsmerkmal "Betrieb" ist nämlich die Qualität der Ausweichreaktion :
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So lässt (auch) eine voreiligen – also objektiv nicht erforderliche – Abwehr- oder Ausweichreaktion den Zurechnungszusammenhang nicht entfallen; |
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ebensowenig ist erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion (zumindest) aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden; |
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auch ist ohne Bedeutung, ob der Fahrer des geschädigten Fahrzeugs einen Zusammenstoß mit dem anderen Fahrzeug auf andere Weise, etwa durch Abbremsen, hätte verhindern können. |
Als Fazit ergibt sich:
Es ist erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das Ausweichen, also die Reaktion als solche herausgefordert wurde; denn damit ist auch das Risiko einer "falschen" Reaktion angelegt, zumal die Entscheidung zur (richtigen) Reaktion in Sekundenbruchteilen gefordert ist.