BGB § 249
Leitsatz
Desinfektionskosten ("aufwändige Hygienemaßnahmen") als Teil von Mietwagenkosten sind auch in Zeiten der Corona-Pandemie mangels Erforderlichkeit grundsätzlich nicht im Wege des Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall ersatzfähig.
LG Wuppertal, Urt. v. 24.3.2022 – 9 S 172/21
Sachverhalt
I. Nach einem Verkehrsunfall vom 23.2.2021, für dessen Folgen die Beklagte nach übereinstimmender Auffassung der Parteien einstandspflichtig ist, mietete der Geschädigte K bei der Klägerin einen Volvo XC 40 als Ersatz für seinen Peugeot 807, Erstzulassung 2012, für die Zeit vom 24.2.2021 bis 23.3.2021. Der Mietwagen war vereinbarungsgemäß u.a. mit einem Navigationsgerät und Winterreifen ausgestattet. Es wurde eine Haftungsreduzierung auf unter 500 EUR Selbstbeteiligung vereinbart. Vereinbarungsgemäß wurde der Wagen gebracht und bei Beendigung der Mietzeit wieder abgeholt. Die Klägerin stellte der Beklagten aus angeblich abgetretenem Recht hierfür am 25.3.2021 4.663,56 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte am 31.3.2021 1.017,45 EUR an die Klägerin. Eine Mahnung blieb erfolglos. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.5.2021 forderte die Klägerin – nach einer Neuberechnung – die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 2.401,07 EUR sowie der angefallenen Anwaltskosten auf. Diese Beträge hat sie zunächst auch klageweise geltend gemacht.
Berechnung des Grundtarifes
Angemietetes Kfz abgerechnet in Klasse 7
Anmietdauer in Tagen 28
Postleitzahlengebiet des Anmietortes 422XX
Grundmietpreis Klasse 7 Schwacke-Liste Jahr 2021, PLZ 422XX, 7-Tages-Tarif 3.077,56 EUR
Grundmietpreis Klasse 7 Fraunhofer-Liste Jahr 2019, PLZ 422XX, 7-Tages-Tarif 1.123,36 EUR
Mittelwert 2.100,46 EUR
Nebenkosten gem. Schwacke
Haftungsreduzierung auf unter 500,00 EUR = 631,68 EUR
aufwändige Hygienemaßnahmen = 58,00 EUR
Winterreifen = 307,72 EUR
Navigationsgerät = 258,16 EUR
Zustellungskosten = 31,25 EUR
Kosten der Abholung = 31,25 EUR
Summe der Nebenkosten = 1.318,06 EUR
Grundpreis 2.100,46 EUR
Nebenkosten gemäß Schwacke-Liste NBK-Tabelle 1.318,06 EUR
Zahlungen vor anwaltlicher Mahnung – 1.017,45 EUR
Gesamtbetrag 2.401,07 EUR
Nachfolgend hat die Klägerin ihr Begehren auf einen Anmietzeitraum von 14 Tagen beschränkt und die Klage bis auf einen Betrag von 691,79 EUR nebst Zinsen zurückgenommen.
Das Amtsgericht hat die Klage mangels Aktivlegitimation abgewiesen. Die Abtretungserklärung sei unwirksam.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie neben den zuletzt verlangten 691,79 EUR nebst Zinsen nunmehr auch wieder Freistellung von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen geltend macht. Mit der teilweisen Regulierung habe die Beklagte anerkannt, dass sie die Ansprüche gegenüber der Klägerin reguliere, was ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstelle. Abgesehen davon sei die Abtretungserklärung ohnehin wirksam.
Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
2 Aus den Gründen:
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache lediglich im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO.
1. Es ist der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Klägerin im Wege der Abtretung gemäß § 398 BGB Inhaberin der streitgegenständlichen Forderung geworden ist. Die Beklagte kann Einwände gegen die Aktivlegitimation der Klägerin nämlich nicht mehr geltend machen. Denn zwischen den Parteien ist insoweit ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zustanden gekommen, welches das Schuldverhältnis insoweit dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entzogen und es in dieser Hinsicht endgültig festgelegt hat (vgl. zu den Wirkungen eines deklaratorischen Anerkenntnisses: Staudinger/Peter Marburger (2015) BGB § 781, Rn 8).
Der Anerkenntnisvertrag ist von der Beklagten durch ihr Regulierungsschreiben angeboten und von der Klägerin gemäß § 151 S. 1 BGB angenommen worden. Einer vorbehaltlosen Zahlung oder Gutschrift kann zwar nicht stets und ohne weiteres ein Anerkenntnis des Schuldners entnommen werden; hierzu bedarf es vielmehr des Vorliegens weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen (BGH, III ZR 545/16, bei juris).
Notwendige Voraussetzung ist, dass unter den Parteien Streit oder Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte herrschte (BGH, XI ZR 239/07, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Seit mehreren Jahren streitet sich die Versicherungswirtschaft im Bereich der Regulierung von Verkehrsunfällen mit Zessionaren darüber, ob Abtretungserklärungen der jeweiligen Geschädigten an Sachverständige bzw. Mietwagenfirmen wirksam sind. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat insoweit eine mehr oder weniger nachvollziehbare Kasuistik entwickelt. Darum geht es auch vorliegend. Die Klägerin forderte die Beklagte unter Übersendung...