BGB § 249
Leitsatz
Der allgemeine Aufwand für die Beschaffung von Desinfektionsmaterial aus Anlass der Corona-Pandemie und der Zeitaufwand für die Desinfektion des Kundenfahrzeugs sind den durch das Grundhonorar des Schadengutachters abgegoltenen Gemeinkosten zuzuordnen; die Abrechnung einer "Desinfektionspauschale Covid-19" als Nebenkosten kommt damit nicht in Betracht.
LG Saarbrücken, Urt. v. 8.4.2022 – 13 S 103/21
Sachverhalt
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf restliche Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 22.12.2020 in … ereignet hat. Die alleinige Haftung der Beklagten steht nicht im Streit. Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro … mit der Erstattung eines Schadengutachtens. Diese stellte dem Kläger einen Betrag von 1.266,58 EUR in Rechnung, den die Beklagte vorgerichtlich in Höhe von 1.042,70 EUR regulierte.
Erstinstanzlich hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 223,88 EUR in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Amtsgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung weiterer 169,91 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es – soweit in der Berufung noch von Interesse – ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien Fahrtkosten des Schadengutachters zwar angefallen. Dem Kläger sei aber ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht anzulasten, da er einen Schadengutachter im Umkreis von 25 km habe finden können, weshalb er Fahrkosten lediglich für insgesamt 50 km verlangen könne. Kosten für einen 3. Fotosatz und Schreibkosten für den 3. Satz könne der Kläger nicht verlangen, da nach den Angaben des Zeugen … lediglich jeweils eine Ausfertigung an den Geschädigten und den Rechtsanwalt geschickt worden sei und die Archivierung für eigene Zwecke des Schadengutachters dem Geschädigten nicht in Rechnung gestellt werden könne. Auch der in Rechnung gestellte "Aufwand Fremdrechnung" in Höhe von 10,– EUR (netto) sei nicht zu erstatten, da ein tatsächlicher Aufwand in entsprechender Höhe zweifelhaft und ferner durch das Grundhonorar abgegolten sei. Die Desinfektionspauschale von 5,– EUR (netto) sei ebenfalls nicht zu erstatten, da Hygienemaßnahmen primär dem Eigenschutz der Mitarbeiter des Schadengutachters dienten und es sich daher um allgemeine Betriebsausgaben handele.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Berufung des Klägers, mit der er die Klage im Umfang der Abweisung weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
2 Aus dem Gründen:
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Weitere Sachverständigenkosten über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus stehen dem Kläger nicht zu.
1. Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Schadengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG zusteht. Denn die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.2017 – VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875).
2. Fehlt es dabei – wie hier – sowohl an einer vom Geschädigten beglichenen Rechnung als auch an einer plausiblen Honorarvereinbarung und einer damit korrespondierenden Rechnung, ist die Höhe der nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Kosten unabhängig von der Rechnung und Vereinbarung zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2019 – VI ZR 104/19, VersR 2020, 245).
3. Der für die Erstellung des Gutachtens erforderliche Aufwand kann in diesem Fall in Höhe der gemäß § 632 Abs. 2 BGB üblichen Vergütung für einen Kraftfahrzeugsachverständigen geschätzt werden. Denn der verständige Geschädigte wird bei Fehlen einer Honorarvereinbarung davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.2017 – VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875).
4. Die hier von dem Schadengutachter gewählte Abrechnung eines pauschalierten Grundhonorars zuzüglich Nebenkosten entspricht kammerbekannt der üblichen Abrechnung der Schadengutachter im Gerichtsbezirk und begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken (vgl. BGH, Urt. v. 04.4.2006 – X ZR 80/05, NJW-RR 2007, 56). In diesem Fall können mit den Nebenkosten indes nur tatsächlich angefallene Aufwendungen verlangt werden, wohingegen die üblichen Gemeinkosten bereits mit dem Grundhonorar abgegolten sind. Zu den Gemeinkosten zählen dabei diejenigen Kosten, die nicht nur anlässlich des zu vergütenden Gutachtenauftrages entstanden sind, insbesondere die mit dem Bürobetrieb verbundenen Kosten (vgl. die Nachweise im Urteil der Kammer vom 02.7.2021 – 13 S 141/20, NJW-RR 2021, 1150).
a) Zu den mit dem Grundhonorar abgegoltenen Gemeinkosten zählen ...