StVG § 4 § 28 Abs. 2 und 3 § 29 Abs. 7 § 65 Abs. 3 Nr. 2 bis 4; VwGO § 132 Abs. 2 § 166 Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1 § 117 118 Abs. 2 S. 4
Leitsatz
Nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 StVG ist § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30.4.2014 geltenden Fassung nur hinsichtlich der Tilgung und Löschung von bis zum 30.4.2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten Entscheidungen anwendbar, nicht auch hinsichtlich der Verwertung dieser Eintragungen. Für die Verwertung kommt § 29 Abs. 7 S. 1 StVG in der ab dem 1.5.2014 geltenden Fassung zur Anwendung. Dementsprechend besteht ein Verwertungsverbot erst mit der Löschung bzw. der Löschungsreife der (Alt-)Eintragung und damit erst, wenn auch die einjährige Überliegefrist abgelaufen ist.
BVerwG, Beschl. v. 23.2.2022 – 3 B 11.21
Sachverhalt
Dem Kl. kann für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe nicht gewährt und Rechtsanwalt … nicht beigeordnet werden, da seine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
1. Der Kl. wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen B, C1, BE, C1E, AM und L auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG).
Der Kl. beging seit dem Jahr 2000 eine Reihe von Verkehrsverstößen, die zu Eintragungen und Punkten zunächst im Verkehrszentralregister und ab der Umstellung auf das Fahreignungs-Bewertungssystem zum 1.5.2014 im Fahreignungsregister führten. Die bis zum 30.4.2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten und zu diesem Zeitpunkt nicht getilgten Eintragungen ergaben einen Stand von zehn Punkten, der vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zum 1.5.2014 in vier Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet und überführt wurde. Am 12.5.2014 wurde dem KBA eine weitere am 30.4.2013 begangene Ordnungswidrigkeit mitgeteilt (Rechtskraft der Ahndung am 2.4.2014, Eintragung in das Fahreignungsregister am 12.5.2014), die mit vier Punkten nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem bzw. zwei Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu bewerten war. Am 26.1.2015 wurde im Fahreignungsregister eine vom Kl. am 24.1.2014 begangene, mit dem 18.12.2014 rechtskräftig geahndete Ordnungswidrigkeit gespeichert, die mit einem Punkt bewertet wurde. Am 12.5.2015 wurde die Ahndung einer weiteren Ordnungswidrigkeit im Fahreignungsregister gespeichert, die der Kl. an 23.12.2013 begangen hatte und deren Ahndung am 19.3.2015 rechtskräftig wurde; für diese Zuwiderhandlung ergab sich ein Punkt. Am 13.5.2015 teilte das KBA dem Bekl. mit, der Kl. habe einen Stand von acht Punkten erreicht. Mit Bescheid vom 29.7.2015 entzog der Bekl. dem Kl. daraufhin gestützt auf § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das VG Greifswald mit Urt. vom 19.12.2017 -VG 4 A 776/16 – abgewiesen. Die Berufung des Kl. hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern mit Urt. v. 3.11.2020 – OVG 3 LB 283/183 – zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
Zitat
[5] … 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Kl. bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
[6] a) Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kl. … geltend, das OVG habe das Urt. des BVerwG v. 18.6.2020 – 3 C 14.19 – ([zfs 2020, 594 =] BVerwGE 168, 316) unbeachtet gelassen und hiergegen verstoßen. Die Rechtsauffassung des OVG, die Eintragungen zu den Ordnungswidrigkeiten v. 12.12.2009, 20.8.2010, 12.2.2011 und 1.4.2011, die vor dem 1.5.2014 im Verkehrszentralregister gespeichert waren, seien zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung noch verwertbar gewesen, sei falsch. Zwar habe das OVG erkannt, dass nach dem alten Recht ein Verwertungsverbot bereits mit der Tilgung und nicht erst mit der Löschung einer Eintragung bestanden habe (§ 29 Abs. 8 S. 1 StVG a.F.), doch setze es sich mit der Annahme, § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG verhindere hier ein solches Verwertungsverbot, in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.
[7] aa) Sollte das Vorbringen des Kl. auf eine Zulassung wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zielen, wären die für diesen Zulassungsgrund bestehenden Darlegungserfordernisse jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die Beschwerde keine sich widersprechenden Rechtssätze im Berufungsurteil und der genannten Entscheidung des BVerwG in Bezug auf die Anwendung derselben Norm des Bundesrechts herausarbeitet. Die Beschwerdebegründung belässt es beim Vorwurf einer falschen Rechtsanwendung und der Rüge eines Subsumtionsfehlers, den das OVG aus Sicht des Kl. begangen hat. Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann damit nicht begründet werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.12.2020 – 3 B 34.19 – NVwZ-RR 2022, 86 Rn 45).
[8] bb) Ebenso wenig rechtfertigt die Beschwerdebegründung in Bezug auf die der Sache nach angesprochene Frage eines Verwertungsverbots, das nach Auffassung des Kl. gemäß § 29 Abs. 8 S. 1 StVG a.F. bei “Alteintragungen' bereits mit der Tilgung der betreffenden Eintragung ...