1. Die Kl. hat aus dem seinerzeit noch zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung keinen Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung der Steuerberatungsgesellschaft.
a) Allerdings war als versicherte Leistungsart unstreitig der Verwaltungsrechtsschutz vereinbart.
b) Es fehlt aber an dem Eintritt des Versicherungsfalls in versicherter Zeit.
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden "B ARB/2008" ist Voraussetzung für das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs, dass nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 S. 1 lit. a) bis d) ARB der Versicherungsfall vor der Beendigung des Versicherungsschutzes eingetreten ist.
Unstreitig endete der Versicherungsschutz zum 31.12.2017. Zu diesem Zeitpunkt war, wie das LG zutreffend angenommen hat, ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall noch nicht eingetreten.
aa) Maßgeblich ist vorliegend, da ein Fall von § 4 Abs. 1 lit. a) bis c) ARB ersichtlich nicht vorliegt, die Bestimmung in § 4 Abs. 1 lit. d) ARB. Danach besteht ein Anspruch auf Rechtsschutz von dem Zeitpunkt an, "in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll".
Dabei kann hier dahinstehen, ob es vorliegend um einen sogenannten Aktiv-Prozess geht, weil die jetzige Kl. auch im damaligen Verwaltungsrechtsstreit die Rolle der Widerspruchsführerin und später der Kl. inne hatte, oder ob es sich vielmehr um einen sogenannten Passiv-Prozess handelt, weil die Kl. sich gegen einen ihr gegenüber von der Stadt A erhobenen Anspruch auf Duldung der Vollstreckung wehrte.
Denn in beiden Fällen ist nach der Rechtsprechung des BGH für den Eintritt des Versicherungsfalls auf das Vorbringen des Versicherungsnehmers und auf den von ihm dem Gegner angelasteten Verstoß abzustellen, so dass sich eine Unterscheidung zwischen Aktiv- und Passivprozessen erübrigt (BGH VersR 2019, 1012, juris Rn 25 f.).
bb) Entgegen dem Berufungsvorbringen ist der danach maßgebliche Zeitpunkt keinesfalls die Vollendung des Eigentumserwerbs seitens der Kl. und, wie das LG zutreffend angenommen hat, auch nicht die im Juli 2016 erfolgte verwaltungsverfahrensrechtliche Anhörung, sondern derjenige des Erlasses des Duldungsbescheides im Juli 2018.
Im Zeitpunkt der Auflassung stand ein Verstoß, welchen die Kl. der Stadt A anlasten könnte, nicht ansatzweise im Raum. Die Eigentumsübertragung mag der Anlass für den späteren Erlass des Duldungsbescheides nach § 191 AO gewesen sein; mit einem (geltend gemachten) Pflichtenverstoß der Stadt A hat diese aber dennoch nichts zu tun. Allein der kausale Zusammenhang dahingehend, dass die Stadt A ohne die Eigentumsübertragung keinen Duldungsbescheid erlassen hätte, ändert daran entgegen dem Berufungsvorbringen offensichtlich nichts.
Aber auch die verfahrensrechtliche Anhörung nach § 28 VwVfG NW stellt keinen solchen Verstoß dar. Es handelt sich dabei lediglich um eine Gewährung rechtlichen Gehörs vor dem Erlass der eigentlichen verwaltungsrechtlichen Entscheidung, die – unabhängig vom Inhalt der seitens der Behörde avisierten Maßnahme – als solche keinen Pflichtverstoß darstellt, sondern vielmehr nach dem Gesetz ausdrücklich geboten ist. Eine Vorverlagerung des Versicherungsfalls ist deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass im Zeitpunkt der Anhörung der spätere Erlass des Duldungsbescheides schon "ernstlich bevorgestanden" hätte (kritisch zu einem solchen "ernstlichen Bevorstehen" Prölss/Martin-Piontek, VVG, 31. Aufl. 2021, § 4 ARB 2010 Rn 46 f.).
Der von der Kl. der Stadt A angelastete Verstoß ist deshalb erst der Erlass des Duldungsbescheides auf der Grundlage von § 191 AO, den die Kl. für rechtswidrig hielt und gegen den sie deshalb vorging (ausdrücklich für den Eintritt des Versicherungsfalls erst durch Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes auch OLG Nürnberg r+s 2021, 86).
c) Darauf, ob als versicherte Leistungsart neben § 2 lit. g) ARB hier auch § 2 lit. e) ARB (Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Steuer- und abgaberechtlichen Angelegenheiten vor deutschen Finanz- und Verwaltungsgerichten) einschlägig war, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an. Denn auch insoweit gelten die soeben angestellten Erwägungen zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls …
zfs 9/2022, S. 519