VVG § 78; BGB § 242
Leitsatz
1. Zum Auskunftsanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter bezüglich des Inhalts eines von diesem abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages (hier: Versicherungsverhältnis einer Gemeinde mit dem Kommunalen Schadensausgleich).
2. In der Gebäudeversicherung ergibt sie ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters des versicherten Gebäudes, wenn der Mieter einen Schaden am Gebäude durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat.
3. Ist der Mieter haftpflichtversichert, führt dieser Regressverzicht zu einem Anspruch des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer analog dem Innenausgleich zwischen VN bei einer Mehrfachversicherung.
4. Der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung des Mieters – wie bei dem kommunalen Schadenausgleich – durch eine Umlagenfinanzierung gedeckt wird, ändert an diesen Grundsätzen nichts. (Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 7.6.2023 – IV ZR 252/22
1 Sachverhalt
Die Kl., Gebäudeversicherer eines Mehrfamilienhauses, verlangt nach Regulierung eines Brandschadens von der beklagten Gemeinde als Mieterin Auskunft über die Ausgestaltung ihres Versicherungsverhältnisses zum Kommunalen Schadensausgleich H (KSA).
Am 28.5.2018 kam es im versicherten Gebäude, das die Bekl. vom VN der Kl. zur Unterbringung Geflüchteter und Asylbewerber angemietet hatte, zu einem Brandschaden, durch den das Gebäude erheblich beschädigt wurde. Der Brand brach im Kinderzimmer einer Wohnung aus, in dem der sechsjährige Sohn der dort untergebrachten Familie gemeinsam mit einem ebenfalls sechsjährigen Nachbarsjungen mit einem Feuerzeug gespielt hatte. Welcher der beiden Jungen das Feuer entzündete, ist ungeklärt.
Die Bekl. ist Mitglied des KSA, eines nicht rechtsfähigen Vereins kommunaler Gebietskörperschaften zum solidarischen Ausgleich von Aufwendungen seiner Mitglieder für Schadensfälle. Der KSA arbeitet als Selbsthilfefonds ohne Gewinnerzielungsabsicht nach dem Umlageverfahren. Mit ihrer Klage begehrt die Kl. von der Bekl. Auskunft über deren Rechtsverhältnis zum KSA, insbesondere Überreichung einer Abschrift der die Mitgliedschaft der Bekl. regelnden Satzung.
Die Kl. macht geltend, der Brandschaden sei auf Fahrlässigkeit der Bewohner zurückzuführen, deren Verhalten sich die Bekl. zurechnen lassen müsse. Zugunsten der Bekl. finde deshalb nach der Senatsrechtsprechung ein im Gebäudeversicherungsvertrag insoweit vereinbarter Regressverzicht Anwendung mit der Folge, dass der Kl. in entsprechender Anwendung der Vorschriften über den Innenausgleich bei einer Mehrfachversicherung Ausgleichsansprüche gegen einen Haftpflichtversicherer der Bekl. zustehen könnten. Als VR sei auch der KSA anzusehen.
Die Bekl. sieht sich zur Erteilung der verlangten Auskunft nicht gehalten, da es sich beim KSA nicht um einen VR handele und zudem dessen Satzung eine Subsidiaritätsklausel enthalte, die eine Haftung des KSA ausschließe.
2 Aus den Gründen:
[9] II. Das BG hat die Bekl. mit Recht verurteilt, die verlangte Auskunft zu erteilen.
[10] 1. Der Klage fehlt entgegen der Auffassung der Revision nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses kann nicht wegen möglicherweise mangelnden Vortrags der Kl. zur Entstehung des Schadens aufgrund eines – der Bekl. zurechenbaren – Verschuldens eines im versicherten Gebäude untergebrachten Bewohners oder deshalb verneint werden, weil im Verhältnis der Kl. zum KSA ein Ausgleichsanspruch entsprechend den Grundsätzen der Mehrfachversicherung (§ 78 Abs. 2 S. 1 VVG) von vornherein ausscheidet.
[11] Zwar kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kl. mit seinem prozessualen Begehren unter keinen Umständen irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. BGH NJW 2021, 779 Rn 11 – YouTube-Drittauskunft II; BGHZ 206, 195 Rn 10; NJW 1996, 2035 unter I 4 b [juris Rn 23]). Jedoch haben Rechtsuchende grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG). Nur unter ganz besonderen – hier nicht vorliegenden – Umständen kann ihnen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte deshalb verwehrt werden (…).
[12] a) aa) Das BG hat richtig erkannt, dass die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem KSA und seinen Mitgliedern als ihrem Wesen nach echte Versicherungsverhältnisse, bei denen der Schadensausgleich der VR und die Mitglieder des Schadensausgleichs die VN sind, den Bestimmungen des VVG unterliegen (vgl. BGH VersR 1968, 138 unter I [juris Rn 9] m.w.N.; HK-VAG/Brand, § 3 Rn 8). Hiergegen erinnert die Revision – mit Recht – nichts.
[13] bb) Anders als die Revision meint, steht es einem möglichen Anspruch der Kl. gegen den KSA unter analoger Anwendung der Vorschriften über den Innenausgleich der VR bei einer Mehrfachversicherung nicht entgegen, dass sich der KSA auf der Grundlage eines Umlageverfahrens finanziert.
[14] (1) In der Gebäudeversicherung ergibt die ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunste...