4. 1 Deliktische Haftung nach § 823 BGB
Die Verkehrssicherungspflicht schützt ahnungslose Dritte davor, in einem fremden Bereich, der für sie zugänglich gemacht ist, mit Gefahren konfrontiert zu werden, die sie nicht kontrollieren können und mit denen sie nicht rechnen müssen. Weiterhin kann es eine Rolle spielen, ob der Dritte der Gefahr "ausweichen" kann.
Um eine Verkehrssicherungspflicht bejahen zu können, ist zunächst einmal zu prüfen, ob ein mitgebrachter Hund eine Gefahr darstellt. Im Zusammentreffen mit Menschen, anderen Tieren oder unbekannten Situationen kann sich das Tier unberechenbar verhalten. Aber auch Personen können aufgrund von Phobien o.Ä. unabhängig vom einzelnen Tier in dessen Gegenwart unerwartet reagieren. Gleiches gilt auch für (Klein-)Kinder. Hieraus ergibt sich eine abstrakte Gefahrenlage unabhängig von der konkreten Hunderasse oder der Größe des Tieres.
Eine Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers oder der Behörde besteht folglich dann, wenn über die Hundehaltung Kenntnis besteht oder diese generell gebilligt wird.
Zu bedenken ist, dass es sich der Bürger oftmals auch gar nicht aussuchen kann, ob er ein Büro betritt: Viele Behördengänge lassen sich nur persönlich erledigen. Gleichzeitig lässt sich der Publikumsverkehr auch nicht auf eine bestimmte Personengruppe (z.B. mit Tiererfahrung) zuschneiden. In den Fällen des unbeschränkten Publikumsverkehrs liegt es daher nahe, eine Pflicht der Behörde anzunehmen sicherzustellen, dass der Besucher nicht mit einem Hund konfrontiert wird (z.B. Kfz-Zulassungsstelle, Meldebehörde). Wird dieser Pflicht durch entsprechende Weisung oder Verbote nicht nachgekommen, besteht ein originäres Organisationsverschulden der Behörde oder des Arbeitgebers. Der Zurechnung einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bedarf es nicht.
Etwas anderes kann dort gelten, wo ohnehin kein bzw. sehr eingeschränkt Publikumsverkehr besteht. In diesen Fällen kann der Verkehrssicherungspflicht durch Hinweise oder Einzelansprache Rechnung getragen werden. Der Umfang bemisst sich dann nach der konkreten Situation. Betritt der Besucher in dieser Kenntnis den Raum und kommt es dann zu einem Schadensereignis, besteht keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Davon unberührt bleibt die Haftung gem. §§ 833, 834 BGB.
4. 2 Haftung einer Behörde nach schuldrechtlichen Grundsätzen
Lässt sich der Behörde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht vorwerfen, stellt sich die Frage, ob sich die oben genannten Grundsätze des LG Hagen auch für Behörden anwenden lassen. Im Kern geht es darum, ob dem Bürger bei einem Schadensereignis während eines Behördengangs die Vorzüge des Schuldrechts zugutekommen (insb. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 2, 278 BGB).
Die Anwendbarkeit der Normen des BGB auf öffentlich-rechtliche Beziehungen ist möglich und vom Einzelfall abhängig. So bejaht der BGH die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie die Zurechnung über § 278 bei öffentlich-rechtlichen Abschleppaufträgen.
Bei Behördengängen besteht grundsätzlich die gleiche Interessenlage wie bei dem Betreten von Geschäftsräumen zum Zwecke eines Vertragsschlusses. Anstelle des Abschlusses eines Vertrages steht etwa ein Antrag des Bürgers oder die Aushändigung oder Urkunden. Es besteht kein Grund, hiervon die Geltung der Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB oder die Zurechnung nach § 278 BGB abhängig zu machen. Entscheidend ist, dass die Behörde, bzw. der Rechtsträger die Herrschaft über die Räumlichkeiten ausübt und die sich hieraus ergebenden Gefahren kontrollieren kann.