OWiG § 33
Leitsatz
Die Anhörung des Betroffenen und der Bußgeldbescheid müssen geeignet sein, die Verjährung zu unterbrechen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass das Tatgeschehen hinreichend konkretisiert, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang dem Betroffenen vorgehalten wird und dieser von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Sachverhalten unterscheidbar ist. (Leitsatz der Redaktion)
AG Rockenhausen, Beschl. v. 3.4.2023 – 2a OWi 6070 Js 1673/23
1 Sachverhalt
Das AG hat das mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206a StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.
2 Aus den Gründen:
Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206a StPO. Die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit vom 5.7.2022 war bereits bei Eingang der Akten am 27.1.2023 verjährt.
Weder die mit Verfügung vom 30.8.2022 angeordnete Anhörung des Betroffenen, noch der Bußgeldbescheid vom 4.11.2022 waren geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass das Tatgeschehen hinreichend konkretisiert, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang dem Betroffenen vorgehalten wird und dieser von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Sachverhalten unterscheidbar ist (BeckOK OWiG/Gertler, 37. Ed. 1.1.2023, OWiG § 33 Rn 179 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Sowohl in der Anhörung, als auch im Bußgeldbescheid ist als Tatort "67304 Eisenberg, Ostring, FR Eisenberg", angegeben. Eine konkretisierende Angabe, wo der Verstoß begangen wurde, ist hiermit nicht verbunden. Der Ostring in Eisenberg verläuft über eine Strecke von etwa 1,7 Km von der Ramsener Straße bis zur Einmündung Westring. Maßgeblich ist, dass die Tat – auch hinsichtlich des Begehungsorts – so genau bezeichnet wird, dass sie sich als unverwechselbar mit anderen denkbaren Taten desselben Täters darstellt und ein Bewusstsein des Täters für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann. Gerade bei Verkehrsverstößen, die sich in relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde präzise konkretisiert werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.1970 – 4 StR 190/70, NJW 1970, 2222). Ausreichend ist im Einzelfall auch die Angabe eines markanten Punktes (Parkplatz, Hausnummer, Gebäude etc.; vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2021 – 2 Owi 6 SsBs 20/21, zfs 2021, 412). Ausreichende Angaben enthalten weder die Anhörung noch der Bußgeldbescheid. Weder die Anhörung noch der Bußgeldbescheid sind mangels hinreichender Bestimmtheit geeignet die Verjährung zu unterbrechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 3 StPO.
Mitgeteilt von RA Helmut Schneider, Kaiserslautern
3 Anmerkung:
Zur Thematik vgl. auch LG Kaiserslautern, Beschl. v. 7.2.2022 – 5 Qs 3/22, zfs 2022, 593: Verjährungsunterbrechung bei mangelnder Bestimmtheit der Ortsangabe des Verstoßes im Bußgeldbescheid – sowie Krenberger, NZV 2020, 393-396: Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens: Reformüberlegungen zu Verjährung und Rechtsbeschwerde.
Liegt nicht einmal eine hinreichende Konkretisierung der Tat vor, so wäre der Bußgeldbescheid sogar unwirksam (vgl. AG Schmallenberg, Beschl. v. 17.8.2022 – 6 OWi 140 Js 692/22 (14/22), jurisPR-VerkR 3/2023 Anm. 5). Der BGH (NJW 1970, 2222) hat entscheidend darauf abgestellt, dass der Bußgeldbescheid seine Abgrenzungsfunktion in sachlicher Hinsicht dann erfülle, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Mängel des Bußgeldbescheids, die die Abgrenzung der Tat von anderen Taten nicht in Frage stellen, sondern nur die Vorbereitung der Verteidigung des Betroffenen erschweren, beeinträchtigen danach die Rechtswirksamkeit des Bußgeldbescheides nicht. Ist diese Abgrenzungsfunktion erfüllt, schaden fehlende nähere Angaben über den Tathergang ebenso wenig wie – vorhandene – unrichtige nähere Angaben hierzu. Im Wesentlichen wird es darauf ankommen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Betroffene zu der angegebenen Zeit und in dem angegebenen Raum weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten verübt hat und eine Verwechslungsgefahr besteht (dazu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.1.2020 – 1 Rb 21 Ss 967/19). Maßgebend ist die Einhaltung der Umgrenzungsfunktion (AG Limburg, Beschl. v. 9.11.2017 – 1 OWi – 6 Js 11243/17- zfs 2018, 295; OLG Jena, Beschl. v. 18.4.2016 – 1 OLG 121 SsRs 6/16; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.9.2016 – 2 (7) SsBs 397/16; AG Landstuhl, Beschl. v. 24.11.2016 – 2 OWi 4286 Js 12609/16). Ist ein Bußgeldbescheid jedoch wie hier nur nicht hinreichend bestimmt bezüglich bestimmter Tatumstände, kann er durchaus wirksam sein, aber eben dennoch ungeeignet die Verjährung zu unterbrechen. Dies hat das AG in Fortsetzung der Rechtsprechung des OLG Koblenz zutreffend differenziert.
Positiv ist zudem die folgerichtige Auslagenentscheidung zugunsten des Betroffenen zu werten. Der als Ausnahmere...