VVG § 14 § 81; VGB 2008 § 7 § 12
Leitsatz
1. Sehen die Bedingungen des VRs die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vor, kann der VN zunächst auf Feststellung der Ersatzpflicht klagen; auf eine Leistungsklage muss er sich dann nicht verweisen lassen.
2. Eine Auskunftsobliegenheit in den allgemeinen Versicherungsbedingungen, die den VN verpflichtet, "jede Auskunft, auch in Schriftform zu erteilen", umfasst nicht die Verpflichtung zur Erteilung von Vollmachten zur Akteneinsicht in behördliche Unterlagen.
3. Unzureichende oder ausweichende Antworten auf eine Anfrage des VRs, die die Grenze zur Antwortverweigerung nicht überschreiben, können abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine lediglich leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung darstellen, die eine Leistungskürzung nicht rechtfertigt.
4. Der VN kann nicht geltend machen, der VR dürfe sich nicht auf eine strenge Wiederherstellungsklausel berufen, weil er die zur Wiederherstellung erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung gestellt hat, wenn er selbst die Instandsetzung durch Aufnahme eines Kredits hätte durchführen können.
OLG Dresden, Urt. v. 11.10.2022 – 4 U 36/22
1 Sachverhalt
Die Kl. begehrt die Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet ist, den Brandschaden vom 30. zum 31.10.2015 in der B.straße xx in D. zu regulieren.
Im Versicherungsschein wurde die Nutzung u.a. dahingehend definiert, dass das Gebäude 1 als Büro und Lager genutzt wurde und eine festinstallierte Großküche vorhanden ist. In den Versicherungsbedingungen Teil A heißt es (u. a) wie folgt:
Zitat
§ 10
Versicherungswert von Gebäuden und Grundstücksbestandteilen ist …
2. Neuwertschaden
2.1 Ist die Entschädigung zum Neuwert vereinbart, erwirbt der VN auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um
2.1.1 Gebäude in der gleichen Art und Zweckbestimmung an der bisherigen oder anderen Stelle wieder herzustellen. …
§ 14
Der VN kann nach Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass die Höhe des Schadens in einem Sachverständigenverfahren festgestellt wird …
§ 15
1. Vor Eintritt des Versicherungsfalles hat der VN
1.1 die versicherten Räume regelmäßig zu kontrollieren; die Einhaltung der Obliegenheit gilt als erfüllt, wenn der VN sein Aufsichtspersonal zur laufenden Überprüfung der versicherten Räume verpflichtet hat.
1.2 während einer vorübergehenden Betriebsstilllegung eine genügend häufige Kontrolle des Betriebes sicherzustellen;
In den allgemeinen Bedingungen zur Sachversicherung Teil B sind u.a. folgende Regelungen vorhanden:
§ 7
2. Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles
Der VN hat bei Eintritt des Versicherungsfalles, … ,
2.5 soweit möglich, dem VR im Rahmen des Zumutbaren jede Auskunft – auf Verlangen in Schriftform – zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des VRs erforderlich ist sowie jede Untersuchung über die Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten;
2.6 vom VR angeforderte Belege beizubringen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann …
Das vierstöckige Gebäude wurde in den 70er Jahren in Plattenbauweise errichtet. Es wurde Anfang der 90er Jahre als Ausbildungsbetrieb für die Lehrlingsausbildung und später bis Oktober 2011 als Hotel genutzt. Im Erdgeschoss befanden sich ein Restaurant und eine Kantine nebst Küche und Kühlräumen. Im ersten Obergeschoss befanden sich Büro- und Unterrichtsräume, im zweiten Obergeschoss Büro- und Verwaltungsräume sowie Hotelzimmer, im dritten Obergeschoss 25 Hotelzimmer. Nach der Einstellung des Hotelbetriebes wurde das Gebäude von Mitarbeitern für Verwaltungstätigkeiten bis Ende 2014 genutzt. Ab Januar 2015 war es nur noch Lagerstätte für Geschäftsunterlagen und Betriebseinrichtungen. Wasserversorgung und Heizung wurden abgestellt.
Das Objekt wurde durch vorsätzliche Brandstiftung in der Nacht zum 31.10.2015 beschädigt.
Am 4.11.2015 fand eine Ortsbegehung u.a. im Beisein des Sachverständigenbüros R. & Partner, das von der Bekl. mit der Ermittlung des Schadens beauftragt worden waren, statt. Der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Kl. – W. M. – unterzeichnete mit der Q. Verwaltungs GmbH – ebenfalls vertreten durch den Geschäftsführer W. M. und unter derselben Anschrift geschäftsansässig – einen auf den 15.12.2015 datierenden Mietvertrag über das Objekt. Die Mietzeit sollte zum 1.7.2016 beginnen, am 30.6.2021 (mit Verlängerungsoption) enden, als Grundmiete waren 18.000,00 EUR monatlich vereinbart. Am 7.12.2015 zahlte die Bekl. eine Vorauszahlung auf den Gebäudeschaden von 25.000,00 EUR.
Die Bekl. übersandte der Kl. am 13.1.2016 einen umfangreichen Fragenkatalog und bat um Vorlage einer Bevollmächtigung zur Kontaktaufnahme mit Beteiligten zur Einholung von Auskünften beim zuständigen Bauamt, etwaigen Vorversicherern sowie dem Jugendamt...