BGB § 249 Abs. 2 S. 1;BGB § 254 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Wird bei einem Verkehrsunfall ein Kfz beschädigt, hat der Geschädigte, der einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils.
2. Allerdings muss sich der Geschädigte in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen lassen, wenn sein Betrieb nicht ausgelastet und es ihm zumutbar ist, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen. Dies gilt sowohl bei der konkreten als auch bei der fiktiven Schadensabrechnung.
BGH, Urt. v. 26.5.2023 – VI ZR 274/22
1 Sachverhalt
1. Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
2. Die Klägerin betreibt eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Ein Pkw der Klägerin wurde am 9.6.2021 bei einer Kollision mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Die Klägerin macht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktive Reparaturkosten in Höhe von 4.000,33 EUR netto geltend. Sie hat das Fahrzeug zwischenzeitlich unrepariert verkauft. Die Beklagte hält 20 % der geltend gemachten Reparaturkosten (800,07 EUR) als Unternehmergewinn für nicht erstattungsfähig. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Zahlung dieses Betrags gerichtet ist. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin diesen Zahlungsanspruch weiter.
2 Aus den Gründen:
[3] I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in r+s 2023, 179 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[4] Das Amtsgericht habe die Klage in Höhe von 800,07 EUR zu Recht abgewiesen, da auch bei der fiktiven Abrechnung des Fahrzeugschadens der Unternehmergewinn in Abzug zu bringen sei. Für die konkrete Abrechnung des Schadens sei anerkannt, dass der Geschädigte, der einen eigenen, auf Gewinnerzielung ausgelegten Reparaturbetrieb unterhalte, sich von den Reparaturkosten den Gewinnanteil in Höhe von 20 % abziehen lassen müsse, wenn der Betrieb in der Zeit der Reparatur nicht ausgelastet gewesen sei. Substantiierten Vortrag zur Auslastung müsse der Geschädigte im Wege der sekundären Darlegungslast halten. Der Unternehmergewinn sei aber auch dann in Abzug zu bringen, wenn der Fahrzeugschaden fiktiv abgerechnet werde. Nehme der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, sei der zur Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befinde. Diese subjektbezogene Schadensbetrachtung gelte nicht nur für die konkrete, sondern auch für die fiktive Schadensberechnung. Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof klargestellt, dass sich ein Geschädigter, dem von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt würden, diese Rabatte auch bei der fiktiven Schadensberechnung anrechnen lassen müsse. Diese Rechtsprechung sei auf den Abzug des Unternehmergewinns bei fiktiver Abrechnung zu übertragen. Dass Großkundenrabatte durchgehend gewährt würden, der Unternehmergewinn jedoch nur abzuziehen sei, wenn die eigene Werkstatt nicht voll ausgelastet sei, ändere nichts am Ergebnis. Der Zeitraum, in dem die Reparatur hätte durchgeführt werden können – nämlich vom Unfall bis zur Veräußerung des Fahrzeugs –, sei klar umschrieben. Für diesen Zeitraum hätte die Klägerin im Zuge ihrer sekundären Darlegungslast darlegen müssen, ob ihre Werkstatt ausgelastet gewesen sei. Ein solcher Vortrag sei ihr auch zumutbar, da durch einen Blick in ihr Auftragsbuch ein entsprechender Vortrag für den betreffenden Zeitraum leicht möglich gewesen wäre. Dadurch, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei, sei mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Unternehmergewinn abzuziehen sei.
[5] II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitfall auf der Grundlage der von ihr vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung keinen Anspruch auf Ersatz des Unternehmergewinns hat.
[6] 1. Ob der Geschädigte im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall den Unternehmergewinn als Teil der Reparaturkosten fordern kann, richtet sich nach folgenden Grundsätzen:
[7] a) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen...