FeV Anlage 4 Nr. 9.2.1 und FeV § 13a Nr. 2 in der Fassung des Cannabisgesetzes vom 27.3.2024; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz
Bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ohne Hinzutreten weiterer Umstände – etwa fehlenden Trennungsvermögens – im Regelfall zu verneinen (BVerwGE 133, 186 Rn 13 ff.). Ein erneuter Klärungsbedarf bzgl. dieser Frage ergibt sich nicht aus der beabsichtigten und mit dem Cannabisgesetz zwischenzeitlich erfolgten – begrenzten – Legalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum. Eine rechtspolitische Debatte über eine Rechtsänderung, ihre politische Vorbereitung und nachfolgende Umsetzung stellen die Richtigkeit der Auslegung und Anwendung geltenden Rechts als solches nicht in Frage. (Leitsatz der Schriftleitung)
BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – 3 B 11/23
1 Sachverhalt
Der Kl. wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Bei einer Verkehrskontrolle am 21.10.2013 ergaben sich Hinweise auf Drogenkonsum, worauf die Polizei eine Blutentnahme veranlasste. Die Untersuchung erbrachte den Konsum von Cannabis mit einem THC-Wert von 5,1 ng/ml und einen THC-Carbonsäuregehalt von 150 ng/ml. Hierauf entzog ihm der Bekl. die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (alt). Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid v. 17.6.2015 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage hat das VG Kassel am 9.3.2017 (2 K 1337/15.KS) abgewiesen. Der HessVGH hat am 9.3.2023 (2 A 303/20) die Berufung des Kl. zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
2 Aus den Gründen:“ …
[2] Der auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Antrag ist abzulehnen, denn die Beschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
[3] Der Rechtssache kommt die in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
[4] 1. Der Kl. wirft die Frage auf, ob einem Verkehrsteilnehmer, der ohne Ausfallerscheinungen erstmalig nach Cannabiskonsum bei einer Routinekontrolle auffällig geworden ist, also bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot, auch bei Anhaltspunkten für einen regelmäßigen Cannabiskonsum ohne weitere Aufklärung die Fahrerlaubnis entzogen werden darf – oder ob bei einer derartigen Sachlage die Feststellung der fehlenden Fahreignung der weiteren Aufklärung bedarf, beispielsweise durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
[5] Diese Frage ist bereits geklärt. Der Senat hat in seinem Urt. v. 26.2.2009 – 3 C 1.08 – die hier maßgebliche Regelung in Nr. 9.2.1 der Anlage 4 FeV a.F. ausgelegt und nicht beanstandet. Danach war bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ohne Hinzutreten weiterer Umstände – etwa fehlenden Trennungsvermögens – im Regelfall zu verneinen (BVerwGE 133, 186 Rn 13 ff.). Die Regelung galt bis zum Inkrafttreten der Änderung der FeV durch das Cannabisgesetz am 1.4.2024, ist hier jedoch unverändert der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2015 ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – BVerwGE 175, 206 Rn 13 und v. 30.8.2023 – 3 C 15.22 – NJW 2024, 1361 Rn 8).
[6] Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung käme danach allenfalls in Betracht, wenn wesentliche, unerörtert gebliebene oder neue Gesichtspunkte die Durchführung eines weiteren Revisionsverfahrens erforderten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.8.1997 – 1 B 145.97 – NVwZ 1997, 1211 <1212> = juris Rn 5). Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz) v. 27.3.2024 (BGBl I Nr. 109) bezieht sich die Rechtsfrage zudem auf nunmehr ausgelaufenes Recht. Eine solche Frage hat regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dazu bestimmt ist, eine richtungsweisende Klärung für die Zukunft herbeizuführen und eine solche Klärung mit der Revision nicht mehr zu erreichen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.3.2024 – 6 B 64.23 – juris Rn 10).
[7] Die Beschwerde meint, ein erneuter Klärungsbedarf ergebe sich aus der beabsichtigten und mit dem Cannabisgesetz zwischenzeitlich erfolgten – begrenzten – Legalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum. Dem kann nicht gefolgt werden. Eine rechtspolitische Debatte über eine Rechtsänderung, ihre politische Vorbereitung und nachfolgende Umsetzung stellen die Richtigkeit der Auslegung und Anwendung geltenden Rechts als solches nicht in Frage. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die genannte Entscheidung des Senats rechtlich umstritten wäre und sich hieraus weiterer Klärungsbedarf ergeben hätte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urt. des Senats v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 – (DAR 2019, 637). In diesem Urteil hat sich d...