BGB § 37; ABsBu-D-V § 20
Leitsatz
Zur (hier vorliegenden) Unwirksamkeit von Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung über die Überschussbeteiligung und die Mitteilung hinsichtlich des gesundheitsbewussten Verhaltens der versicherten Person (hier: ABsBu-D-V § 20 Abs. 4).
BGH, Urt. v. 12.6.2024 – IV ZR 437/22
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Versicherungsbedingungen eines von der Bekl. vertriebenen Produkt zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Darin ist die Überschussbeteiligung verknüpft mit einer Teilnahme an einem und einer Bewertung des gesundheitsbewussten Verhaltens versicherter Personen durch ein "Vitality Programm". In den maßgebenden Klauseln (§ 20 Abs. 4) heißt es unter anderem:
[UAbs. 6] Sofern wir keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten erhalten, weil z.B. das G Vitality Programm gekündigt wurde oder der Übermittlung des G Vitality Status widersprochen wurde, wird Ihr Vertrag hinsichtlich dieser Überschüsse für die betroffenen Versicherungsjahre so behandelt, als hätte die versicherte Person sich nicht sonstig gesundheitsbewusst verhalten.
[UAbs. 8] Die Überschussanteile Ihrer Versicherung können steigen, wenn die versicherte Person durch sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten einen entsprechenden G Vitality Status erreicht, wodurch der Nettobeitrag sinken kann. Umgekehrt können die Überschussanteile Ihrer Versicherung aber auch sinken, wenn die versicherte Person sich weniger sonstig gesundheitsbewusst verhält und einen diesem Verhalten entsprechenden G Vitality Status erhält, wodurch der Nettobeitrag steigen kann. Der Nettobeitrag ergibt sich aus dem um die Überschussanteile reduzierten Betrag. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den von dem G Vitality Status abhängigen jährlichen Zu- oder Abnahmen Ihres Nettobeitrages, sowie zu den in jedem Versicherungsjahr geltenden Grenzwerten und Bezugsgrößen finden Sie in unserem jährlichen Geschäftsbericht; diese Werte werden jährlich im Rahmen der Überschussdeklaration neu festgesetzt.
2 Aus den Gründen:
[14] 1. Zu Recht hat das BG angenommen, dass die Klausel in § 20 Abs. 4 UAbs. 8 ABsBu-D-V der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB nicht standhält. Die Klausel verstößt … – gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
[15] a) Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender von AVB gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen VN verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Senat VersR 2023, 1165 Rn 21; …).
Die Einhaltung des Transparenzgebotes soll dem VN unter anderem bei der Eingehung des Versicherungsvertrages die Einschätzung ermöglichen, ob das angebotene Versicherungsprodukt im Vergleich mit den Versicherungsprodukten anderer Anbieter seinen Bedürfnissen entspricht (vgl. BGHZ 2147, 354). Das gilt nicht allein in Bezug auf den Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes (…), sondern auch hinsichtlich solcher Regelungen, die sich – wie hier – auf die Höhe der von dem VN für den Versicherungsschutz zu entrichtenden Prämie oder den Umfang für den VN mit dem Versicherungsvertrag verbundener finanzieller Vorteile auswirken können.
Daher müssen sich auch die Regelungen in AVB die sich auf die Zusage oder die Höhe einer dem VN zustehenden Überschussbeteiligung beziehen, am Transparenzgebot messen lassen (…).
[16] Zudem können Klauseln, die dem Verwender Bestimmungsrechte einräumen, ohne dass ihm Ausübungsgrenzen in Bezug auf die Voraussetzungen oder den Umfang gezogen sind, gegen das Transparenzgebot verstoßen, weil der VN bei Vertragsschluss und danach nicht absehen kann, ob und in welchem Umfang ihn möglicherweise zusätzliche Belastungen treffen werden (vgl. Senat BGHZ 136, 394 …). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (Senat VersR 2023 Rn.21 …).
[17] b) Hieran gemessen ist die angegriffene Teilklausel in § 20 Abs. 4 UAbs. 8 ABsBu-D-V intransparent.
18 aa) Der durchschnittliche VN, der sich darum bemüht, die für seinen Vertrag geltenden Grundsätze der Überschussermittlung nachzuvollziehen, wird zunächst zur Kenntnis nehmen, dass in § 20 Abs. 1 bis 3 ABsBu-D-V zum einen dem Grunde nach geregelt ist, dass eine Überschussbeteiligung überhaupt stattfindet und zum anderen allgemeine Grundsätze zur Definition, Ermittlung und Verteilung des Überschusses enthalten sind. Hierbei wird er insbesondere zur Kenntnis nehmen, dass die Höhe des auf seinen Vertrag entfallenden Überschusses im Grundsatz von den tatsächlich entstehenden Überschüssen (§ 20 Abs. 3 ABsBu-D-V) sowie davon abhängt, inwieweit der...