EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1, GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1. Soweit ein Messgerät Daten zu statistischen Zwecken speichert, die keinen Bezug zu der Einzelmessung haben, kommt diesen Daten keine Relevanz für die Überprüfung des Messergebnisses zu.
2. Hat das Gericht in der Hauptverhandlung die nur mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels (public key) mögliche Überprüfung der Authentizität der Messdaten vorgenommen, kann der Betroffene die Überlassung des öffentlichen Schlüssels nicht beanspruchen.
3. Der Anspruch auf nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen besteht nur hinsichtlich solcher Informationen, die bei der Bußgeldbehörde tatsächlich vorhanden sind. Versteht sich das nicht von selbst (hier: Grundlagen einer geschwindigkeitsbegrenzenden Beschilderung), bedarf es zur Ausfüllung einer diesbezüglichen Verfahrensrüge entsprechenden Vortrags.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.2024 – 2 ORbs 35 Ss 425/23
1 Sachverhalt
Wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung (Messung TraffiStar S330) verurteilte das AG den Betroffenen zu der Geldbuße von 90 EUR. Seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verwarf das OLG Karlsruhe als unbegründet (in diesem Heft S. 526). Hiergegen erhob der Betroffene Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung, mit der die Annahme des Senats, dass es sich bei der Annahme des Senats, dass dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten auch die Statistik-/Logdatei des Messgeräts und der Public Key zugrunde gelegen seien, um eine Überraschungsentscheidung handle. Zudem vertritt er unter Berufung auf Rechtsprechung des VerfGH BW die Auffassung, dass ihm auf seinen Antrag die begehrten Unterlagen trotz der unter Heranziehung eines Sachverständigen erfolgten gerichtlichen Prüfung zur Verfügung zu stellen gewesen seien. Schließlich beanstandete er, dass der Senat seinen Vortrag zur Relevanz der Einschaltung privater Unternehmen auch bei der Aufbereitung oder Auswertung der Daten nicht berücksichtigt habe. Auf Nachfrage des Senats hat der Gerätehersteller mitgeteilt, dass das Messgerät als halb-analoges Messsystem keine Statistikdaten speichere; auch die bei den Geräten verwendete digitale Kamera werde lediglich zur Anfertigung der fotografischen Aufnahmen genutzt, ohne Rohdaten speichern zu können. Das OLG Karlsruhe hat die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Betroffenen zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] B. Die Anhörungsrüge ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I. Hinsichtlich der im Verteidigerschriftsatz vom 3.4.2024 vorgebrachten Einwendungen, die nicht allein der Verdeutlichung und Ergänzung des im Schriftsatz vom 15.11.2023 gemachten Vorbringens dienen, ist die Anhörungsrüge unzulässig, weil es insoweit entgegen §§ 46 Abs. 1 OWiG, 356a Satz 2 und 3 StPO an dem gebotenen Vorbringen und dessen Glaubhaftmachung zur Einhaltung der sich aus § 356a S. 1 StPO ergebenden Wochenfrist fehlt.
II. Die Prüfung der im Verteidigerschriftsatz vom 15.11.2023 zur Begründung der Anhörungsrüge erhobenen Einwendungen führt nach der Bewertung des Senats nicht zu dem Ergebnis, dass er bei seiner Entscheidung vom 31.10.2023 den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
1. Zu der die Ausführungen zur Statistik-/Logdatei betreffenden Ausführungen (2 d aa des Senatsbeschlusses vom 31.1.2023) betreffenden Beanstandung ist zunächst festzuhalten, dass aufgrund der Auskunft des Geräteherstellers feststeht, dass das Messgerät eine solche Datei überhaupt nicht erstellt, weshalb sich die Verweigerung der Herausgabe als nicht entscheidungsrelevant erweist. Soweit im Verteidigerschriftsatz vom 3.4.2024 nunmehr auch die Herausgabe – bloß vermuteter – händisch erstellter statistischer Daten begehrt wird, geht dies über den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag hinaus, der sich nach seinem Inhalt lediglich auf vom Messgerät generierte Daten bezog. Im Übrigen hält der Senat an der im Beschl. v. 31.10.2023 vorgenommenen Bewertung, dass solchen statistischen Daten ohne Bezug zur Einzelmessung Entscheidungsrelevanz zukommen kann, auf der Grundlage der dazu von der PTB abgegebenen Stellungnahmen, zuletzt vom 13.12.2023 (abrufbar unter https://doi.org/10.7795/520.20231214) im Anschluss an den Beschluss des VerfGH RP vom 27.10.2022 (DAR 2023, 27; ebenso OLG Koblenz NZV 2021, 201) nicht mehr fest.
2. Hinsichtlich des vom Betroffenen weiter begehrten öffentlichen Schlüssels (Public Key) für die Messdatei hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens an seiner dazu im Beschl. v. 31.10.2023 (unter 2 d aa) geäußerten Rechtsauffassung fest.
a) Dafür ist zunächst in den Blick zu nehmen, welche Funktion und Bedeutung dem öffentlichen Schlüssel zukommt. In einer Stellungnahme der PTB vom 17.1.2019 ist dazu ausgeführt: "Die signierten Falldateien gelten als unveränderliche Beweismittel. Diese können vom Überwachungsgerät abgerufen werden. Mit Hilfe des von der PTB geprüften Referenz-Auswerteprogramms […] können die Falldateien auf einem PC visualisiert wer...