In der täglichen Praxis finden wir immer die Konstellation, dass bei einer Unfallflucht Zeugen zwar ausführlich den Unfallhergang beschreiben können und zudem darauf fixiert sind, das Kennzeichen des flüchtigen Pkws zu notieren, aber in einer Vielzahl der Fälle den Fahrer nicht beschreiben können. Für die ermittelnden Polizeibeamten ist daher die erste Anlaufstelle der Halter des flüchtenden Fahrzeuges.
Dieser wird von den Beamten in Kenntnis seiner Haltereigenschaft befragt, ob er das Auto heute bewegt habe und ob er auch in der W-Straße gewesen ist. Bejaht der Halter dies, wird er als Beschuldigter belehrt, aber der wesentliche Ermittlungserfolg, nämlich die Feststellung der bislang nicht beweisbaren Fahrereigenschaft, steht durch die Selbstbezichtigung des Halters nunmehr fest.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Halter des Fahrzeugs nicht schon in seiner Eigenschaft als Halter zu belehren ist. Das gilt sicher spätestens dann, wenn eine zumindest wage Täterbeschreibung vorliegt, die zum äußeren Erscheinungsbild des Halters passen könnte.
Anders kann es aussehen, wenn Zeugen zwar den Täter nicht exakt identifizieren können, aber sicher sind, er sei weiblich oder habe helle Hautfarbe, was erkennbar auf den Halter nicht zutrifft (LG Nürnberg-Fürth zfs 2022, 529; OLG Karlsruhe NZV 1994, 122; OLG Nürnberg StV 2015, 155).
Liegen keine Anhaltspunkte im Rahmen einer Täterbeschreibung vor, so kommt aus meiner Sicht der Halter grundsätzlich als Fahrer in Betracht. Zwar wird gelegentlich die Unterscheidung zwischen Tatverdächtiger – dann noch Zeuge – oder Beschuldigter vorgenommen und man gewährt den Beamten ein pflichtgemäßes Ermessen. Allerdings will die Belehrungspflicht sicherstellen, dass ein grundsätzlich als Fahrer in Betracht kommender Halter sich dem Auskunftsverlangen der Ermittlungsbehörden entziehen darf (LG Nürnberg-Fürth zfs 2022, 529; OLG Karlsruhe NZV 1994, 122; Krämer, DAR 2022, 617; Krumm, DAR 2024, 128, Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. 2023 § 163a Rn Rn 4a). Daher darf derjenige, der als Fahrer grundsätzlich in Betracht kommt, nicht von Beginn an in der Rolle als Zeuge gehalten werden.
Doch auch hier gilt, dass es eines Einwandes des Verteidigers bedarf. Denn nach der Rechtsprechung sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln, eben auch der nicht erfolgten Belehrung, von Rechts wegen nicht geboten und tunlichst im Urteil zu unterlassen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2009 – 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 267, Rn 12).