VHB 2002 § 5 Ziff. 3a
Leitsatz
Nutzt ein Dieb das Gedränge eines Marktes aus, um einem Versicherungsnehmer eine wertvolle Armbanduhr vom Handgelenk zu ziehen, so liegt keine versicherte Beraubung vor.
LG Konstanz, Urt. v. 9.5.2008 – 2 O 437/07
Sachverhalt
Der Kläger behauptet, ihm sei am 10.8.2007 zwischen 15.00 und 16.00 Uhr während eines Italienurlaubs auf dem Markt in O eine Original-Cartier Armbanduhr im Wert von 8.500 EUR abhanden gekommen.
Zum Tatgeschehen trägt er vor, auf dem Markt habe viel Betrieb geherrscht. Es seien viele Menschen unterwegs gewesen. Plötzlich habe jemand mit großer Krafteinwirkung an seiner Armbanduhr gezerrt und diese unter Gewaltanwendung von seinem Handgelenk abgerissen. Hierbei habe er sich am Unterarm innen einen Kratzer zugezogen. Als er das Zerren bemerkt habe, wollte er die Wegnahme seiner Uhr verhindern. Ein junger Mann habe ihm die Uhr jedoch schon entrissen gehabt und sei durch die Menschenmenge davon gerannt.
Aus den Gründen
“ … Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung für den Vorfall vom 10.8.2007 aus seiner Hausratversicherung mit der Versicherungsscheinnummer i.V.m. § 1 VVG und § 3 Ziff. 1b VHB 2002, da keine Beraubung i.S.d. § 5 Ziff. 3a VHB 2002, sondern allenfalls ein nicht versicherter (Trick-)Diebstahl vorliegt.
1. Es kann dahin gestellt bleiben, ob dem Kläger anlässlich seines Italienurlaubes auf dem Markt von O am 10.8.2007 eine Original-Cartier Armbanduhr abhanden gekommen ist. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt, ist ein Anspruch gegen die Beklagte aus der bestehenden Hausratversicherung nicht gegeben, da das vom Kläger geschilderte Tatgeschehen keine versicherte Beraubung, sondern einen nicht versicherten (Trick-)Diebstahl darstellt.
2. Gem. § 5 Ziff. 3a VHB 2002 liegt eine Beraubung nur dann vor, wenn gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten.
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Bei dem vom Kläger geschilderten Tatvorgehen hat der Täter das dichte Gedränge auf dem italienischen Markt, die vielen Menschen und die Ablenkung der Passanten durch das Warenangebot an den vielen Marktständen ausgenutzt, um mit Geschicklichkeit und Schnelligkeit dem Kläger seine Armbanduhr wegzunehmen.
Der Kläger schilderte den Vorfall in der mündlichen Verhandlung selbst so, dass alles ganz schnell gegangen sei. Die Sache habe allenfalls zwei Sekunden gedauert. Als er gemerkt habe, dass sich jemand an seiner Uhr zu schaffen macht bzw. an seiner Uhr gerissen hat, war die Uhr praktisch schon entrissen und der Täter rannte schon durch die Menschenmenge davon. Der Täter ging insoweit listig und überrumpelnd vor, sodass davon auszugehen ist, dass mangels Widerstandsbereitschaft kein Widerstand des Klägers ausgeschaltet werden musste und vom Täter ein solcher Widerstand auch nicht erwartet wurde.
Dass bei dem Vorfall vermutlich (der Kläger ist sich in der Klageschrift nicht sicher) das Armband aus Metall abgerissen ist und der Kläger hierdurch einen Kratzer am Unterarm innen davongetragen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Gem. § 5 Ziff. 3a VHB 2002 liegt eine Gewaltanwendung i.S.d. Versicherungsbedingungen nämlich nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden. So liegt der Fall hier. Die Gewaltanwendung des Täters, die möglicherweise zum Abreißen des Armbandes der Uhr geführt hat, wurde nicht ausgeübt, um einen bewussten Widerstand des Klägers auszuschalten, da der Kläger gar keine Zeit hatte, bewusst Widerstand zu leisten. Der Täter musste daher weder einen Widerstand ausschalten noch mit einem solchen Widerstand rechnen. Dass der Kläger reflexartig den Arm hochgezogen hat, steht dem ebenfalls nicht entgegen, da ein solches Handeln nicht als bewusster Widerstand zu werten ist.“