VV RVG Nr. 2400 a.F. (Nr. 2300 n.F.)
Leitsatz
1. Beauftragt nach einem Verkehrsunfall der Geschädigte einen Anwalt mit der außergerichtlichen Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, so kann er in einem späteren Gerichtsverfahren den Ersatz der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten gem. Nr. 2400 VV RVG (seit 30.6.2006: Nr. 2300 VV RVG) beanspruchen, wenn nicht auf Grund konkreter Umstände bei der Mandatserteilung davon ausgegangen werden musste, dass der Versuch der außergerichtlichen Regulierung keine Erfolgsaussicht hat.
2. Im Verhältnis zum Schädiger ist der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung (einschließlich Feststellung) entspricht.
OLG Hamm, Urt. v. 19.6.2008 – 6 U 48/08
Sachverhalt
Der Kläger hatte beim LG Paderborn Ansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den Beklagte zu 1) als Fahrer eines dem Beklagten zu 2) gehörenden Kleintransporters, der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, geltend gemacht. Vorgerichtlich hatten seine späteren Prozessbevollmächtigten sich für ihn an die Beklagte zu 3) gewandt diese und aufgefordert, sich zum Grunde der Haftung zu erklären und 5.000,00 EUR als Schmerzensgeld zu zahlen. Das lehnte die Beklagte zu 3) ab. Mit seiner Klage verlangte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten den Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens auf der Grundlage einer Haftungsquote von 70 % sowie nach einem Gegenstandwert von 13.000,00 EUR den Ersatz vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten und zwar eine 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV RVG a.F. zzgl. Postentgeltpauschale und Ust., zusammen 837,52 EUR.
Nach Beweisaufnahme gab das LG der Klage im Wesentlichen statt, indem es die Haftungsquote bestätigte und dem Kläger das begehrte Schmerzensgeld zusprach, ferner auch den begehrten Ersatz des materiellen Schadens unter relativ geringfügigen Abzügen. Hinsichtlich der Anwaltskosten hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger hätte im Interesse der Kostengeringhaltung seinen späteren Prozessbevollmächtigten sofort einen unbedingten Klageauftrag erteilen können und müssen. Mit der Berufung verfolgte der Kläger seinen Anspruch wegen dieser ihm aberkannten 837,52 EUR weiter. Sein Rechtsmittel hatte zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: " … II. 2. Der auf §§ 7, 9, 18 StVG, §§ 823, 831 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. beruhende und in dieser Instanz dem Grunde nach nicht mehr streitige Schadensersatzanspruch des Klägers erstreckt sich auch auf die im Rahmen der vorprozessualen Rechtsverfolgung entstandenen Anwaltskosten, soweit sie nach der berechtigten Schadensersatzforderung angefallen waren."
2.1. Bei derartigen im Rahmen der Unfallschadensregulierung angefallenen Anwaltskosten handelt es sich um einen adäquaten Unfallschaden, so dass sie im Rahmen des Erforderlichen zu ersetzen sind (vgl. BGH NJW 06, 1065; OLG Oldenburg NJW 61, 613; OLG Nürnberg OLGZ, 69, 140), ohne dass vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe der Gegner in Verzug gesetzt worden sein muss (vgl. Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 38).
2.2. Die Kostenbelastung des Klägers durch die Inanspruchnahme seines Anwalts ist dadurch entstanden, dass er diesen vorprozessual mit der außergerichtlichen Schadensregulierung beauftragt hat. … Der Anspruch des Prozessbevollmächtigten auf die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV-RVG a.F. ist demnach entstanden.
2.3. Der Kläger kann diesem Anspruch seines jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass dieser ihn bei Übernahme des Mandats falsch beraten habe und sich bei richtiger Beratung sofort einen unbedingten Klageauftrag habe erteilen lassen müssen. Zwar wäre in diesem Fall die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung gem. Nr. 2400 VV-RVG a.F. mangels eines entsprechenden Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung nicht angefallen, und das Honorar für die auftragsgemäß übernommene gerichtliche Vertretung des Klägers hätte gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG auch das Anwaltsschreiben an den Haftpflichtversicherer vom 19.12.2005 abgedeckt. Auch gebietet es die Pflicht zur interessengemäßen Beratung eines Mandanten bei der Auftragserteilung dem Anwalt, sich grundsätzlich nur dann einen lediglich bedingten Klageauftrag erteilen zu lassen, wenn er unter Würdigung aller Umstände Grund zu der Annahme hat, dass eine Klageerhebung nicht erforderlich sein werde. Es muss zu erwarten sein, dass der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mithilfe eines Anwalts Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BGH NJW 68, 2334; OLG Hamm – 24 ZS. – NJW-RR 06, 242).
Nach diesen Maßstäben war aber im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte des Klägers keineswegs gehalten, sich von vornherein einen unbedingten Klageauftrag erteilen zu lassen, um den Anfall der Geschäftsgebühr zu vermeiden.
Ohne Erfolg verweisen in diesem Zusammenhang die Beklagten auf die Entscheidung des 24. Zivilsenats des OLG Hamm vom 31.10.2005 (a.a.O.). Dort ging es um die vorprozessualen Kosten f...