InsO § 129, 134 Abs. 1, 133 Abs. 1; StPO § 153 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 2

Leitsatz

1) Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt.

2) Entrichtet der Angeschuldigte einen Geldbetrag an die Staatskasse, um eine Auflage zu erfüllen, von der die Einstellung eines Strafverfahrens gegen ihn abhängt, erbringt er keine unentgeltliche Leistung, wenn die erteilte Auflage in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Verurteilungsrisiko und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs steht.

3) Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfüllung einer entsprechenden Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine Gläubiger benachteiligten.

BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07

Sachverhalt

Das LG H stellte am 19.9.2002 ein Strafverfahren wegen Verdachts der Begünstigung des Mitangeklagten M in 38 Fällen des Anlagebetruges mit Zustimmung des Angeklagten K und der Staatsanwaltschaft nach § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein. Als Voraussetzung der endgültigen Einstellung wurde K die ratenweise Zahlung von 2.400 EUR an die Staatskasse auferlegt. K überwies die beiden ersten Raten von je 400 EUR am 1.10.und 15.11.2002. Am 3.12.2002 ging sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim AG W ein. In der Zeit vom 5.2. bis zum 11.3.2003 entrichtete K die weiteren Raten der Geldauflage an die Staatskasse und erlangte daraufhin am 20.3.2003 die endgültige Einstellung des Strafverfahrens.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des K wurde auf den gestellten Eigenantrag hin am 8.10.2003 eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Im Mai 2004 focht dieser gegenüber dem beklagten Freistaat die der Einstellungsauflage gem. erbrachten Zahlungen an. Er verlangt mit der Klage den Zahlbetrag zur Insolvenzmasse zurück.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Sachantrag weiter.

Aus den Gründen

[4] “Die Revision ist begründet.

[5] I. Das LG hat in seinem Berufungsurteil ausgeführt: Die Klage fordere keine unentgeltliche Leistung des Schuldners zurück. Denn das Strafverfahren gegen den Schuldner sei in Abhängigkeit von der Auflagenerfüllung endgültig eingestellt worden. Die Leistung des Schuldners beruhe nicht auf Freigiebigkeit, sondern auf dem Druck der drohenden Fortsetzung des Strafverfahrens. Auch ein mittelbarer geldwerter Vorteil der Masse könne sich durch die Einstellung ergeben, falls sonst eine höhere Geldstrafe verhängt worden wäre. Eine Deckungsanfechtung komme nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht Insolvenzgläubiger des Schuldners geworden sei. Ebenso scheide eine Anfechtung gem. § 132 InsO aus, weil kein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift vorliege. Es fehle an einem zivilrechtlichen Vertrag.

[6] II. Demgegenüber rügt die Revision fehlerhafte Rechtsanwendung, die auch darin bestehe, dass sich das Berufungsgericht mit der Vorsatzanfechtung nicht befasst habe. Der Schuldner sei nach seinem lediglich mit Nichtwissen bestrittenen Vortrag in den Tatsacheninstanzen bei Entrichtung der Geldauflage infolge von Verbindlichkeiten in Millionenhöhe – namentlich gegenüber der Stadtsparkasse B und geschädigten Kapitalanlegern – zahlungsunfähig gewesen. Bereits im Jahre 2000 habe er deswegen die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Schuldner und der Hauptverhandlung sei der Staatsanwaltschaft des beklagten Freistaates dies bekannt gewesen. Die Ratenzahlung der Geldauflage habe dem Schuldner gerade deswegen bewilligt werden müssen, weil er zur Einmalzahlung nicht im Stande gewesen sei.

[7] III. Die vorgenannte Rüge der Revision greift durch.

[8] 1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Anfechtungsgründe der §§ 130, 132 und 134 InsO verneint.

[9] a) Es kann dahinstehen, ob die Verfahrenseinstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO als Rechtsgeschäft des Schuldners nach § 132 Abs. 1 InsO aufgefasst werden kann, weil sie von seiner Zustimmung abhängt. Jedenfalls sind hierdurch die Insolvenzgläubiger des angeklagten Schuldners noch nicht unmittelbar benachteiligt worden, weil dessen Vermögen erst durch die ihm auferlegten Zahlungen an die Staatskasse beeinträchtigt wurde. Vorher stand es dem Schuldner trotz seiner Zustimmung zu der vorläufigen Verfahrenseinstellung frei, ob er die auferlegten Zahlungen erbrachte. Eine neue Verbindlichkeit zu Lasten seines Vermögens war dadurch nicht begründet worden (vgl. BGHSt 28, 174, 177). Mit Recht hat das Berufungsgericht daher auch eine A...

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