StPO § 467a Abs. 1; OWiG § 105 Abs. 1 § 109a Abs. 2
Leitsatz
Der Verwaltungsbehörde sind die dem Betroffenen im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren entstandenen Kosten nach Rücknahme des Bußgeldbescheides auch dann aufzuerlegen, wenn der Betroffene keine entlastenden Umstände vorgetragen hat, auf Grund des Tatfotos aber Zweifel bestehen, ob der Betroffene den Bußgeldtatbestand verwirklicht hat.
(Leitsatz des Bearbeiters)
AG Düren, Beschl. v. 16.5.2008 – 11 OWi 218/08
Sachverhalt
Dem Betroffenen wurde eine mittels Radarmessverfahren festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Die Verwaltungsbehörde hatte den Vorgang zur Identifizierung des Fahrers dem hierfür eingerichteten Ermittlungsdienst übersandt. Von dort aus wurde zwar mitgeteilt, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer zur Tatzeit handele. Zugleich wurde aber darauf hingewiesen, dass insoweit wegen der sehr schlechten Qualität des Tatfotos noch Zweifel bestünden. Gleichwohl hätten "parallele Ähnlichkeiten" zwischen dem Fahrer und dem Betroffenen festgestellt werden können. Der Betroffene hatte sich im Rahmen seiner Anhörung zu den Vorwürfen nicht geäußert. Gegen den dann erlassenen Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Einspruch ein, er teilte ferner mit, keine Einlassung zur Sache abzugeben, jedoch wies er darauf hin, dass das Tatfoto zur Identifizierung des Betroffenen nicht geeignet sei. Hieraufhin hat die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurückgenommen und das Verfahren eingestellt. Unter Hinweis auf § 109a Abs. 2 OWiG weigerte sich die Verwaltungsbehörde jedoch, die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu übernehmen. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte Erfolg.
Aus den Gründen
“Wird ein Bußgeldbescheid nach Einspruch zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, hat die Verwaltungsbehörde gem. § 105 Abs. 1 OWiG, § 467a Abs. 1 StPO eine Auslagenentscheidung zu treffen. Gem. § 467a StPO sind die einem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen dabei üblicherweise der Staatskasse aufzuerlegen. Dies gilt auch hier. Ausnahmetatbestände, auf Grund derer davon abzusehen wäre, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, sind vorliegend nicht einschlägig. Dies gilt auch für die von der Verwaltungsbehörde herangezogene Regelung des § 109a Abs. 2 OWiG.
Gem. § 109a Abs. 2 OWiG kann davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, deren Entstehen dieser durch ein rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände hätte vermeiden können. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensvorschrift.
Aus dieser Grundlage hätte gegen den Betroffenen bereits kein Bußgeldbescheid ergehen dürfen. Der Erlass eines Bußgeldbescheids setzt voraus, dass die Verwaltungsbehörde nach Aufklärung des Sachverhaltes die Ordnungswidrigkeit für erwiesen erachtet; bleiben Zweifel, ob der Betroffene den Bußgeldtatbestand verwirklicht hat, darf ein Bußgeldbescheid nicht erlassen werden (vgl. Göhler, OWiG, Vor § 65 Rn 1). Im vorliegenden Fall musste der Fahrzeugführer zur Tatzeit noch ermittelt werden. Bei den diesbezüglichen Ermittlungen wurden zwar “parallele Ähnlichkeiten’ festgestellt, es blieben aber dennoch Zweifel. Bei ungewisser Sachlage und fortbestehenden Zweifeln darf ein Bußgeldbescheid indes nicht erlassen werden. Dass dem Betroffenen i.V.m. mit dem Erlass des Bußgeldbescheides Auslagen entstanden sind, ist somit nicht diesem, sondern der Verwaltungsbehörde anzulasten. Zwar hat der Verteidiger nach Erlass des Bußgeldbescheides darauf hingewiesen, dass das Tatfoto aus seiner Sicht zur Identifizierung des Betroffenen nicht geeignet ist. Es ist jedoch in erster Linie Aufgabe der Verwaltungsbehörde, dem Betroffenen die Ordnungswidrigkeit nachzuweisen. Zweifeln ist in geeigneter Art und Weise nach zu gehen; gegebenenfalls darf ein Bußgeldbescheid nicht erlassen werden. Die Umstände die hier die Zweifel an der Fahrereigenschaft des Betroffenen begründeten, waren auch bereits bei Erlass des Bußgeldbescheides bekannt. Durch die Verteidigung wurden insoweit keine neuen entlastenden Umstände vorgebracht, sondern lediglich auf die bisherigen Ermittlungen Bezug genommen und diese rechtlich gewürdigt. Ein hinreichender Anlass, vom Regelfall des § 467a Abs. 1 StPO abzuweichen und die notwendigen Auslagen des Betroffenen nicht der Staatskasse aufzulegen, liegt somit im vorliegenden Fall nicht vor. … “
3 Anmerkung
Nach der über § 105 Abs. 1 OWiG entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 467a StPO sind im Falle der Rücknahme des Bußgeldbescheids und der hieraufhin erfolgenden Einstellung des Verfahrens die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Hiervon macht § 109a Abs. 2 OWiG eine Ausnahme. Sind nämlich dem Betroffenen Auslagen entstanden, die er durch ein rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände hätte vermeiden können, kann von der Überbürdung der Auslagen auf die Staatskasse abgesehen werden. Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach Auffassung des AG Düren nicht vor...